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Wulf Gallert zu TOP 14: Neuausrichtung des Personalentwicklungskonzeptes 2010

Die Diskussion um die langfristige Entwicklung des Landesdienstes wird in Sachsen-Anhalt schon seit einigen Jahren ausgesprochen intensiv geführt. Bereits in der letzten Legislaturperiode gab es durch den jetzigen Finanzminister langfristige Prognosen über die mögliche oder aus seiner Sicht notwendige Entwicklung des öffentlichen Dienstes des Landes Sachsen-Anhalt. Seit Beginn dieser Legislaturperiode werden wir hier im Parlament mit entsprechenden Personalentwicklungskonzeptionen konfrontiert, die ständig überarbeitet wurden.

Dabei haben die Personalentwicklungskonzepte der Landesregierung, und ich wiederhole hier noch einmal klar, der gesamten Landesregierung, aus unserer Sicht zwei zentrale Probleme: Das erste ist die fast ausschließlich quantitative Bestimmung des Landesdienstes, abgeleitet aus den langfristig prognostizierten Einnahmen des Landes Sachsen-Anhalt. Zum anderen die zentrale Ausrichtung der Zielzahlen an Durchschnittswerten finanzschwacher westdeutscher Flächenländer.

Zentrale Zielstellung dieser Personalentwicklungskonzepte war die Reduzierung des öffentlichen Dienstes, primär zur Senkung des Personalkostenanteils an den Landesausgaben. Insofern ist der Vorwurf vieler Betroffener aus dem öffentlichen Dienst, dass es sich hier nicht um ein Personalentwicklungskonzept, sondern um ein Personalabbaukonzept handelt, absolut begründet. Bereits zu Beginn der Legislaturperiode stand für uns fest, dass diese Herangehensweise der Landesregierung wesentliche Mängel aufwies. Das erste zentrale Problem besteht darin, dass Personalabbauraten beschlossen wurden, ohne dass die Konsequenzen für die Aufgabenerfüllung im Bereich der öffentlichen Daseinsvorsorge analysiert wurden, im Wesentlichen unter der Überschrift „woanders geht das schließlich auch.“ Wie diese Dinge woanders gehen, und warum sie möglicherweise anders gehen, war nicht Gegenstand der Betrachtung. Und in diesem Zusammenhang will ich hier noch einmal unsere alte Position wiederholen: „Die bayerische Lebensmittelhygiene darf für uns in Sachsen-Anhalt kein Vorbild sein.“

Der zweite große Mangel des Personalentwicklungskonzepts der Landesregierung besteht in der falschen Einschätzung, dass jederzeit genug Bewerber für entsprechende Stellen im Landesdienst zur Verfügung stehen werden, wenn man sie braucht. Es ist für uns nicht nachvollziehbar, wie ein Land, das in dieser extremen Art und Weise mit dem Problem der demografischen Entwicklung konfrontiert ist, und in dem mittel- und langfristige Prognosen Konjunktur haben, dieses Problem völlig ignorieren kann. Am Ende dieser Legislaturperiode ist klar, dass es in den nächsten Jahren außerordentlich schwierig sein wird, geeignete Bewerber für die entsprechenden Aufgaben des öffentlichen Dienstes zu bekommen. Für viele dieser Probleme schließt sich das demografische Fenster in dieser Legislaturperiode, und in den nächsten beiden Legislaturperioden wird jede Landesregierung schwer zu kämpfen haben, diese Defizite auszugleichen.

Mindestens genauso schwerwiegend ist aus unserer Sicht jedoch ein methodisches Problem dieser Personalentwicklungskonzeption, das zu einem schwierigen inhaltlichen Problem geworden ist. Ganz offensichtlich sind diese Personalentwicklungskonzepte der Landesregierung beschlossen worden, ohne dass klar war, welche inhaltlichen Konsequenzen dies für die Aufgabenerfüllung in Sachsen-Anhalt hat.

Dieses Problem war auch maßgeblich der Anlass, eine Enquetekommission zur Personalentwicklung einzusetzen, in der die Fachbereiche einzeln darlegen sollten, welche Konsequenzen für ihre Aufgabenerfüllung sich aus dem beschlossenen Personalabbau ableiten würden. Im Grunde genommen gab es da zwei Reaktionsmuster der entsprechenden Minister. Das erste war: „Das wissen wir nicht, das gucken wir uns an, wenn es soweit ist.“ So im Wesentlichen die Aussage aus dem Innenministerium. Das zweite Reaktionsmuster war die Ansage, dass der vorgesehene Personalabbau dazu führen wird, dass die zum großen Teil ja auch durch Bundes- und EU-Vorgaben definierten Aufgaben nicht mehr erledigt werden können, z. B. durch das Ministerium für Landwirtschaft und Umwelt. Dann gab es noch eine Modifizierung dieses Reaktionsschemas, die da lautete: „Das können wir natürlich alles machen, aber das hätte dann die und die Konsequenzen, da müsse man dann halt entscheiden, ob man das politisch will.“ Letzteres traf vor allem auf das Kultusministerium zu, das damit innerhalb der Landesregierung einen ziemlich effektiven Kurs eingeschlagen hat.

Jetzt, am Beginn des Jahres 2010, kann man deutlich sagen, dass sich die langfristige Diskussion um die Personalentwicklung in Sachsen-Anhalt gelohnt hat, sowohl um die Papiere aus der Landesregierung, als auch in der Enquetekommission im Landtag. Sie haben nämlich das Ergebnis erbracht, dass der vorgesehene Personalabbau mit massiven Einschränkungen im Bereich der Aufgabenerfüllung verbunden ist, die wahrscheinlich niemand hier im Landtag in den nächsten Monaten als seine politische Agenda verkaufen wird.

Ich sage es hier noch einmal ganz klar, das Personalentwicklungskonzept der Landesregierung ist politisch gescheitert. Die Frage ist nur, wie lange es dauern wird, bis auch die Vertreter der Koalition das zugeben werden. Unsere intensive Beschäftigung mit diesen Papieren hat gezeigt, dass Thesen der Art „man müsse möglichst viel Personal im Landesdienst abbauen, um mehr Spielräume für Bildung zu haben“, der Widerspruch in sich selbst sind. Gerade die intensive Arbeit der Landesregierung und der Enquetekommission haben in der Konsequenz dazu geführt, dass die neoliberale Grundthese des schlanken Staates massiv in Frage gestellt wird.

Die Kolleginnen und Kollegen von CDU und SPD kann ich nur dazu auffordern, mit dieser Erkenntnis mutiger umzugehen. Andere Länder sind da schon viel weiter. Das trifft nicht nur auf westdeutsche Länder zu, die, um es flapsig zu formulieren, alles, was bei drei nicht auf den Bäumen ist, als Lehrer einstellen. Das trifft auch auf ostdeutsche Landesregierungen zu, in Thüringen übrigens noch mehr als in Brandenburg, wo der Personalabbau im Bereich der Lehrer und Polizisten gestoppt werden soll. Lassen Sie mich kurz auf drei Beispiele eingehen, die in unserem Antrag aufgeführt werden.

Wir haben zur Zeit etwa 14.500 Vollzeit-Lehrereinheiten, die für etwa 174.000 Schüler da sind. Diese Schülerzahl bleibt im Wesentlichen bis 2020 konstant. Nach dem vorliegenden Personalentwicklungsplan sollen aber die Lehrerzahlen unter 10.000 sinken, was den Abbau um rund ein Drittel bedeutet. Kurzfristig, also im Laufe der nächsten Legislaturperiode, sollte das Arbeitskräftevolumen der Lehrer auf 13.000 sinken. Selbst diese Reduzierung ist schon mit deutlichen Einschnitten, z. B. in der Schulentwicklungsplanung, verbunden. Auch andere qualitative Kriterien geraten in Gefahr. Das sehen wir so, das, so konnten wir erfahren, sieht auch die CDU-Fraktion so, und wir wissen, dass das auch die Kollegen der SPD im Wesentlichen so sehen, sie trauen sich nur noch nicht, es laut zu sagen. Wenn die Situation aber so ist, dann müssen wir uns doch schnellstmöglich von der für 2020 vorgegeben Zielzahl von 9.900 Lehrern verabschieden und jetzt sofort alles daran setzen, so schnell wie möglich die Voraussetzungen zu schaffen, die wir benötigen, um die Situation ab dem Jahr 2015 halbwegs in den Griff zu bekommen. Das bedeutet eine sofortige Ausweitung der Lehrerausbildungskapazität in beiden Stufen.

Und hier kommen wir zum eigentlichen Problem: der Personalentwicklung in Sachsen-Anhalt. Natürlich können wir so tun, als ob wir in der nächsten Legislaturperiode diese Probleme durch massive Neueinstellungen beheben können. Aber das geht an der Realität vorbei. In gewisser Weise schließt sich das demografische Fenster genau in dieser Legislaturperiode, und deshalb ist es jetzt nötig zu reagieren, so, wie wir mit solchen Maßnahmen eigentlich spätestens 2006 hätten beginnen müssen.

Der nächste große Bereich, der Bereich der Hochschulen, ist durch eine etwa 25%ige Überlast der jetzigen Kapazitäten gekennzeichnet. Unabhängig davon, welche konkreten Vereinbarungen bei der Fortsetzung des Hochschulpaktes erzielt werden, ist es doch völlig unrealistisch, davon auszugehen, dass die Studierendenzahl in den nächsten Jahren unter 42.000 sinken wird. Damit fällt auch hier ein Personalabbau in der nächsten Legislaturperiode aus.

Im Bereich der Polizei haben wir eine deutliche Diskrepanz zwischen den Anforderungen an den Polizeivollzug auf der einen und dem vorgeschlagenen Personalabbau auf der anderen Seite. Ich will in diesem Zusammenhang nur daran erinnern, dass bereits im letzten Haushaltsjahr im Bereich der Polizei Überstunden bezahlt werden mussten, weil ein Abbau durch Freizeitausgleich unrealistisch wurde. Aus unserer Sicht sind keinerlei politisch akzeptable Ansätze zu erkennen, wie der vorgesehene Abbau des Polizeivollzuges auf 5.400 Stellen ohne einen deutlichen Verlust an öffentlicher Sicherheit vollbracht werden kann.

Noch drastischer ist das Problem des Personalabbaus allerdings im Bereich der so genannten übrigen Verwaltung zu bewerten. Nachdem es in den von mir benannten Kernbereichen einige Bewegung gab, schlug die Landesregierung die vorgesehenen Abbauraten mal schnell auf die übrigen Bereiche um. Zusammen mit der weiteren Reduzierung der Zielzahl auf 19 Beschäftigte pro 1.000 Einwohner machte das in diesen Institutionen rund ein Drittel aus. Jeder, der sich in der Enquetekommission die Konsequenzen dieser Herangehensweise hat aufzeigen lassen, weiß, dass das nicht geht.

Daneben gibt es riesige Baustellen im Personalentwicklungskonzept, z. B. im Bereich der pädagogischen Mitarbeiter, wo wir uns strukturell Gedanken über die Aufgabenwahrnehmung machen müssen. Aber eines ist ganz klar: Ehrgeizige Schulprojekte, wie z. B. Ganztagsschulen, verlangen mehr und nicht weniger pädagogische Mitarbeiter. Es sei denn, man will Betreuungszeit mit der noch teureren und in absehbarer Zeit ohnehin kaum noch vorhandenen Lehrerarbeitszeit abdecken.

Wir fordern die Landesregierung auf, diese Fakten - und darum handelt es sich hier - zur Kenntnis zu nehmen und ihre Personalpolitik sofort auf die daraus resultierende Notwendigkeit einzustellen. Die zentrale Botschaft in der Personalpolitik des Landes darf nicht mehr die des möglichst schnellen Personalabbaus sein. Die zentrale Botschaft des Landes muss ab sofort folgende sein:  Alle jungen Menschen, die in der Lage sind, erfolgreich eine Ausbildung für den öffentlichen Dienst zu absolvieren, bekommen eine Chance in unserem Land und in den Kommunen. Alle Fachleute, die Qualifikationen besitzen, die wir im Landesdienst brauchen können, bekommen eine Chance im öffentlichen Dienst. Alle Menschen, die in den letzten Jahren das Land verlassen haben, weil sie anderswo einen Arbeitsplatz im öffentlichen Dienst der anderen Länder angeboten bekamen, haben eine reale Chance, zu uns zurück zu kommen. Der Mangel an Lehrernachwuchs ist bereits bekannt. Der Mangel an gut ausgebildetem wissenschaftlichen Personal, an Polizisten, an Kindergärtnerinnen und Kindergärtnern, an technischem Fachpersonal wird in den nächsten Jahren immer stärker ins gesellschaftliche Bewusstsein drängen. Deswegen muss jetzt gehandelt werden, weil es dann zu spät ist, wenn der Mangel in den Schulen, in den Hochschulen, bei der Polizei und in der Verwaltung für jeden sichtbar und spürbar wird.