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Hendrik Lange zu TOP 12: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Hochschulgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt

Der Bologna-Prozess hat die wohl umfassendste Reform des Studiensystems in Deutschland zur Folge. Dass eine so umfassende Reform nicht reibungslos ablaufen kann, ist verständlich. Die Hochschulen haben ihre Studiengänge komplett umgestellt. Ich nenne diesbezüglich die Stichworte Modularisierung, das Denken vom Workload, also vom Arbeitsaufwand der Studierenden her und natürlich die Einführung der gestuften Studiengänge mit den neuen Abschlüssen Bachelor und Master, die durchaus für umfangreiche Probleme gesorgt haben und die dadurch in die Kritik geraten sind. Es gibt auch positive Folgen, die der Bologna-Prozess mit sich bringt. Das wollen wir nicht verschweigen.

Die Kritik an der derzeitigen Umstellung betrifft unter anderem den Prüfungsaufwand durch die studienbegleitenden Prüfungen, die Verschulung und die damit einhergehende Verengung des freien Studiums - das betrifft im Wesentlichen die Universitäten - und natürlich das Einschränken der Möglichkeiten, sich zu engagieren, beispielsweise in den Studierendenvertretungen, oder einfach Zeit zu haben, um einem Nebenjob nachzugehen.  
Hinzu kommt die Unterfinanzierung der Hochschulen, die die Situation verschärft.

Das hat in den letzten Jahren zu massiven Bildungsprotesten geführt. Die Hochschulen stellen sich den Realitäten. Auch die letzten Proteste haben dazu geführt, dass die Hochschulen angefangen haben, ihre Studienreform zu reformieren. Auch die Politik hat begonnen, auf diese Proteste zu reagieren und das System zunehmend zu verbessern.  
Ich erinnere daran, dass wir erst vor kurzem das Hochschulzulassungsgesetz behandelt haben. Dabei handelt es sich um eine Reaktion darauf, dass man Kapazitäten unter der Bedingung von Bachelor und Master anders berechnen muss. Der Bund hat sogar einen Topf für die Qualitätserhöhung in der Lehre aufgelegt. Das ist ein Tropfen auf den heißen Stein, aber in der derzeitigen Situation wird jeder Tropfen gern genommen.

DIE LINKE sieht anhand der derzeitigen Praxis Handlungsbedarf und möchte deswegen das Landeshochschulgesetz an einigen Stellen ändern. Handlungsbedarf sehen wir erstens in der derzeitigen Praxis der bedingten bzw. vorläufigen Immatrikulation. Diesbezüglich bewegen sich die Hochschulen in einer erheblichen Grauzone. Sie möchten - das haben sie an uns herangetragen - durch das Landeshochschulgesetz Rechtssicherheit schaffen.  

Was ist das Problem? Derzeit überschneidet sich der Studienabschluss beim Bachelor mit den Bewerbungs- und Zulassungszeiten für die Master-Studiengänge. Die Ursachen dafür sind vielfältig. Das können Prüfungszeiten sein, dass also am Ende des Bachelors Prüfungen abgelegt werden müssen, man sich aber eigentlich schon für einen Master bewerben müsste. Das können aber auch Korrekturzeiten sein, dass also die Professoren nicht so schnell hinterherkommen, die Prüfungsarbeiten zu korrigieren. Es kann sein, dass jemand in einer Prüfung durchfällt und sie wiederholen muss. Auch das soll es geben und das soll auch nicht mit übermäßiger Härte sanktioniert werden. Aber auch formale Abläufe können der Grund sein, etwa dass das Bachelorzeugnis noch nicht ausgestellt ist und man einfach nichts in der Hand hat, womit man sich für das Studium bewerben kann.  
Derzeit lösen einige Fakultäten in einigen Hochschulen dieses Problem durch eine so genannte vorläufige Immatrikulation. Sie ziehen dazu die bisherigen Studienleistungen
heran. Auch das möchten wir mit unserem Gesetzentwurf regeln. Es muss eine Frist für die Erbringung des Nachweises des Abschlusses gesetzt werden, ansonsten erlischt die Immatrikulation. Die Hochschulen können das dann näher regeln. So ist es in unserem Gesetz vorgesehen. Das ist eine Praxis, die derzeit in Berlin und in Niedersachsen durchaus schon angewandt wird. Daher plädieren wir dafür, diese Rechtssicherheit auch den Hochschulen in unserem Land zu geben. Wie gesagt, die Hochschulen sind damit an das Parlament herangetreten und möchten diese Rechtssicherheit haben.  

Das Bachelor-Master-System hat natürlich auch die Studieninhalte sehr stark verändert. Klar ist, dass die Diplom- bzw. die Magisterstudiengänge eine längere Regelstudienzeit hatten und damit bei der Umstellung auf Bachelorstudiengänge weniger Inhalte bis zum ersten berufsqualifizierenden Abschluss vermittelt werden. Einige Politiker, vor allem Finanzpolitiker, haben schon „Heureka“ gerufen: Kürzere Studiendauer für die Masse, das könnte auch bedeuten, dass man den Hochschulen weniger Geld geben muss. Das Gegenteil ist der Fall. Das Bachelor-Master-System ist eigentlich darauf ausgelegt, dass es betreuungsintensiver ist. Wir halten es für falsch, dass der Master nur wenigen vorbehalten sein soll und Kapazitäten künstlich verknappt werden sollen.

DIE LINKE hat diese Form der Verkürzung des Studiums immer abgelehnt, denn die Studienzeit ist eine Zeit, um sich zu bilden und sich wissenschaftlich zu qualifizieren. Wer sich bilden will, der soll das an unseren Hochschulen auch tun können. Er soll dazu die Gelegenheit haben. Deswegen erwächst daraus für uns die Forderung, dass jedem Bachelorabsolventen in Sachsen-Anhalt die Möglichkeit gegeben werden soll, sich innerhalb eines Jahres für einen Masterstudiengang einschreiben zu können.  

Es ist durchaus klar, dass das auf einige Kritik stoßen wird. Die Kapazitäten für die Bachelorstudiengänge werden derzeit sehr stark ausgereizt. Das erwächst aus dem Hochschulpakt, dass man also möglichst viele Studierende direkt in den Bachelorstudiengang aufnehmen möchte. Viele Leute, die derzeit von den Schulen kommen, beginnen einen Bachelorstudiengang. Daher braucht man die entsprechenden Kapazitäten.  

Es ist außerdem eine Regelung vorgesehen, dass die Hochschulen innerhalb eines Jahres reagieren können, wenn sich Absolventen eines Bachelorstudienganges für einen Masterstudiengang bewerben, sodass Kapazitäten geschaffen werden können. Derzeit werden die Kapazitäten sehr unterschiedlich genutzt. Sowohl an den Fachhochschulen als auch an den Universitäten ist die Ausnutzung der geschaffenen Kapazitäten für den Master in den Fachbereichen höchst unterschiedlich, sodass es abzuwarten bleibt, ob das tatsächlich zu einer Kapazitätsverengung für den Bachelor führen muss oder nicht.
Wir sehen diesbezüglich im Moment weniger Probleme, zumal wir bis zum Jahr 2020 mit einem Rückgang der Studierendenzahlen rechnen. Wir haben keine Pflicht formuliert, dass jeder Bachelor einen Master machen muss, sondern es ist die freie Wahl der Studierenden, einen Master-Studiengang aufzunehmen.

Wir sehen darin allerdings auch einen Standortvorteil für das Land. Leute, die sich für das Studium interessieren, sollen wissen, dass sie in diesem Land, wenn sie ihren Bachelor gemacht haben, spätestens nach einem Jahr ein Masterstudium aufnehmen können. Das kann auch ein Standortvorteil sein, wenn wir später über sinkende Studierendenzahlen reden.

Die dritte Änderung bezieht sich auf das Recht der Studierenden, ein Teilzeitstudium absolvieren zu können. Die Lebenssituation von Studierenden kann sich ändern. Sie ändert sich natürlich auch in der Realität. Es kann sein, dass ein Kind in der Familie hinzukommt. Es kann sein, dass Eltern oder Großeltern gepflegt werden müssen. Es kann auch sein, dass man vor einem finanziellen Engpass steht, den man durch einen Nebenjob zu überwinden versucht. Auch Menschen mit Behinderungen oder chronischen Erkrankungen haben das Problem, dass sie in dem derzeit sehr stark verschulten Bachelor-Master-System wenig Möglichkeiten haben, aus diesem System auszubrechen, ohne dass sie permanent Ausnahmeregelungen für sich beantragen müssen. Das ist eine Bürde, die auch die Hochschulrektorenkonferenz beschrieben hat.  

Es soll das Recht der Studierenden sein, ohne Begründung ein Teilzeitstudium zu beantragen und dieses auch genehmigt zu bekommen. Wir möchten dieses Teilzeitstudium nicht limitieren. Ich habe Rücksprache mit den Hochschulen gehalten. Sie sehen darin eine Chance, in ihren Fakultäten durchzusetzen, dass das Studiensystem im Bachelor-Master-System wesentlich dynamisiert wird und der Studienablauf auf die Bedürfnisse der Studierenden stärker abgestimmt wird. Sie sagen außerdem, dass es Leute gibt, die sich, wenn sie erkrankt sind, an die Hoffnung klammern, noch eine Prüfung machen zu können oder noch ein Modul absolvieren zu können. Für diese Leute ist ein Teilzeitstudium bestens geeignet. Deswegen schlagen wir diese Änderung vor. Ich hoffe, sie trifft bei Ihnen auf Befürwortung.  

Kein Änderungsentwurf der LINKEN zum Hochschulgesetz ohne unsere Forderung nach der Abschaffung der derzeitigen Studiengebühren. Während des Studiums gibt es derzeit Gebühren für Arbeitsmittel, die in den Praktika benötigt werden. Ich weiß, dass es Gebühren gibt in der Pharmazie und in der Chemie. Wenn man ein Praktikum absolvieren möchte, muss man die Chemikalien kaufen, um dieses Praktikum durchführen zu können. Wenn man das nicht macht, dann wird man nicht zugelassen. Das ist ein Problem, das den Studierenden auf die Tasche fällt.

Es ist nicht wenig Geld, das im Studium erhoben werden kann. Es wird zum Beispiel auch ein Beitrag zu den Exkursionen verlangt. Selbst wenn es Pflichtexkursionen sind, müssen Studierende dafür bezahlen. Wir halten diese Herangehensweise für falsch, weil man dadurch die einen Studiengänge teurer macht, nämlich die, in denen solche Gebühren anfallen, und die anderen Studiengänge billiger macht, nämlich die, in denen solche Gebühren nicht anfallen. Und dann hängt es vielleicht von dem Geldbeutel des Studierenden oder der Eltern ab, für welches Studium man sich entscheidet. Das ist die falsche Herangehensweise. Deswegen wollen wir diese Gebühren abschaffen.

Wir sagen außerdem, dass sich die Langzeitstudiengebühren zum einen nicht bewährt haben, ansonsten würden sie nicht steigen, und zum anderen schränken sie die Freiheit des Studiums unnütz ein. Warum dieses pädagogische Mittel, so nannte es einmal der ehemalige Kultusminister Olbertz, bei Erwachsenen anwenden? Die Studierenden gehen sehr vernünftig mit dem Studium und ihrer Studienzeit um. Sie wollen ein Studium auch in einer angemessen Zeit absolvieren. Warum diesen seltsamen Druck über Langzeitstudiengebühren aufbauen? Das ist uns nicht klar. Deswegen sagen wir: Die Langzeitstudiengebühren sollen abgeschafft werden.

Es gibt auch einen sehr seltsamen Umgang mit Ausnahmeregelungen an den Hochschulen. Das ist sehr unterschiedlich. Wir haben das abgefragt. Die Martin-Luther-Universität ist sehr kulant, wenn Studierende kommen und sagen: Ich habe eine soziale Problemlage, oder: Ich habe mich entsprechend engagiert, ich möchte von den Studiengebühren ausgenommen werden. Andere Hochschulen gehen mit dieser Situation völlig anders um. Das kann man in unserer Anfrage erkennen. Auch dieser unterschiedliche Umgang führt dazu, dass wir sagen: Es gibt an dieser Stelle eine Ungerechtigkeit im System. Lasst uns die Langzeitstudiengebühren endlich abschaffen.

Zukünftig sehen wir weiteren Handlungsbedarf. Wir müssen das System Bachelor/Master weiter flexibilisieren. Dieses starre Festhalten an dem Konstrukt „konsekutiv“ überholt sich derzeit. Das ist eigentlich auch systemfremd. Ein Bachelor muss in Bezug auf einen fachlich entsprechenden Master immer anschlussfähig sein, egal ob man das konsekutiv organisiert oder nicht, zumal das Wort „konsekutiv“ nur ein Hilfsvehikel war, um diese Reform erst einmal zu implementieren und deutlich zu machen, was die Politik dort möchte. Wir brauchen also in diesem System eine Flexibilisierung. Dazu gehört auch, dass wir irgendwann diese Grenze aufheben müssen, dass zwei Studien, nämlich Bachelor- und Master-Studiengang, insgesamt nur zehn Semester dauern dürfen.
Erst dadurch wird für die Hochschulen die Freiheit geschaffen, den Bachelorstudiengang anders zu organisieren, ihn vielleicht nicht nur auf sechs Semester zu begrenzen, sondern einen sieben- oder achtsemestrigen Bachelorstudiengang zu implementieren - je nachdem, wie notwendig das für diesen Studiengang ist - und dann trotzdem die Gelegenheit zu haben, ein viersemestrigen Master-Studiengang aufzusetzen. Das ist das eine.  

Außerdem müssen wir das Bafög anpassen. Das ist dringend notwendig. Mir ist nicht klar, warum die Familienversicherung oder Integrationshilfen für Menschen mit Behinderung nur für den ersten berufsqualifizierenden Abschluss gelten. Das ist eine Benachteiligung von jungen Menschen, die sich im Studium qualifizieren möchten und eine wissenschaftliche Laufbahn einschlagen wollen. Das können wir so nicht hinnehmen. Da müssen wir handeln. Das ist aber nicht nur auf der Landesebene zu behandeln, sondern da müssen wir im Bund ran. Das wird auch ein Thema für die nächsten Jahre sein.

Wir wollen mit unserer Hochschulgesetznovelle jetzt an den Stellen handeln, an denen man Veränderungen auf Landesebene umsetzen kann, um die Studienbedingungen vor Ort zu verbessern und um den Studierenden ein wenig Erleichterung im Bachelor-Master-System zu verschaffen.