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Thomas Lippmann zu TOP 23: Expertengruppe zur Bestimmung des längerfristigen Lehrkräftebedarfs

Sie haben es bei der Lektüre unseres Antrages sicher bemerkt: schon zum dritten Mal darf ich allein in dieser Landtagssitzung dem Plenum einen Antrag vorstellen, der auf eine zügige und effiziente Umsetzung des Koalitionsvertrages zielt. Dies zeigt nicht nur, dass wir uns gründlich mit den politischen Grundlagen dieser Regierung auseinandergesetzt haben, es zeigt auch, dass wir dort eine ganze Reihe von Zielstellungen finden, die wir durchaus teilen und für wichtig und richtig halten. Es können alte Defizite der zurückliegenden Legislatur beseitigt und das Land vorangebracht werden, wenn sie denn zügig und konsequent umgesetzt werden.  

Unser Antrag in der Drs. 7/267 zielt auf eine Passage auf Seite 70 im Koalitionsvertrag Dort hat sich die Koalition vorgenommen, eine Arbeitsgruppe zur Beschreibung der „Personalbedarfe Schule 2025“ unter Federführung des Kultusministeriums einzurichten, deren Aufgabe darin besteht, den Lehrkräftebedarf regional, schulform- und fachbezogen über die Legislaturperiode hinaus zu beschreiben und so eine Grundlage für eine solide Personal-, Seminar- und Hochschulplanung zu schaffen.

Unser Antrag macht deutlich, dass wir dieser Arbeitsgruppe einen sehr hohen Stellenwert beimessen. Dies kommt schon in der Überschrift unseres Antrages zum Ausdruck, denn wir sprechen hier bewusst von einer Expertengruppe und nicht nur von einer Arbeitsgruppe. Wir sehen die Experten für die beschriebene und von uns noch erweiterten Aufgaben nicht nur im Bildungs- und im Finanzministerium. Wir haben jedenfalls die Befürchtung, die neue Arbeitsgruppe zum Lehrkräftebedarf könnte wie die alte zusammengesetzt sein. Die war ja vor etwa zwei Jahren gebildet worden, weil sich das Finanz- und das Kultusministerium im Kampf um eine Aufweichung des Einstellungskorridors nicht auf eine belastbare Bedarfsprognose verständigen konnten. Selbst nach Hinzuziehung eines externen Moderators, das war der Herr Fahlbusch aus Brandenburg, ist diese IMAG an ihrer Aufgabe kläglich gescheitert. Das Finanzministerium hat in dieser Arbeitsgruppe schlicht kein Ergebnis akzeptiert, dass nicht ihren Personalvorgaben aus dem PEK entsprochen hat.

Das verwundert im Übrigen nicht, denn der Streit über die Entwicklung von Schülerzahlen, Personalbestand und Einstellungsbedarf in Sachsen-Anhalts Schulen hat eine lange und traurige Tradition. Als es 1996 darum ging, wegen des absehbaren Einbruchs der Schülerzahlen den ersten beschäftigungssichernden Tarifvertrag für die damals noch fast 30.000 Lehrkräfte zu verhandeln, spielte die Frage nach dem zu erwartenden Personalüberhang natürlich die entscheidende Rolle. Die Annahmen von Landesregierung und GEW, über einen Zeitraum von zehn Jahren betrachtet, lagen damals um etwa 5.000 Vollzeitstellen auseinander.

Schon damals wurde der Versuch unternommen, die divergierenden Positionen durch einen externen Moderator, er hieß Dobatka, irgendwie auf eine verlässliche Grundlage zu stellen und sich auf Parameter für eine Personalprognose zu verständigen, die von allen akzeptiert werden konnten. Dies ist seinerzeit genauso gescheitert, wie alle weiteren Versuche in den Jahren danach. Die Wünsche aus dem Finanzministerium nach möglichst wenig Personal ließen sich nie mit der Realität der Aufgabenerledigung in den Schulen unter einen Hut bringen. Die Schülerprognosen mussten permanent nach oben nachgezogen werden, während sich die Prognosen über das verbleibende Personal regelmäßig als unbegründet optimistisch erwiesen haben.

So ging die Schere zwischen Nachfrage und Angebot folgerichtig immer weiter auseinander. Die Folge erleben wir in diesen ersten Tagen des neuen Schuljahres mit der schlechtesten Unterrichtsversorgung soweit wir zurückdenken können. Ich darf die Mitglieder aus dem letzten Landtag daran erinnern, dass auf Druck des damaligen Finanzministers die Plätze in den Lehrerseminaren für die II. Phase von 620 auf 420 abgesenkt werden sollten. Und das zu einem Zeitpunkt (ich meine 2013 oder 2014), als der heutige Einstellungsbedarf längst absehbar war. Der Landtag war seinerzeit immerhin stark und einsichtig genug, die Plätze nur auf 520 abzusenken und sie im darauffolgenden Jahr wieder auf den alten Stand von 620 anzuheben. Nötig wäre allerdings eine Erhöhung auf über 800 Plätze schon im Doppelhaushalt 2015/16 gewesen, damit zumindest ab dem nächsten Jahr die Chance bestanden hätte, mehr Bewerber aus eigener Ausbildung gewinnen zu können. Denn Ausbildung braucht Vorlauf. Das trifft noch mehr als bei den Lehrerseminaren auf die nicht ganz einfache Steuerung der Ausbildung in der I. Phase an den lehrerbildenden Universitäten zu.

Sie erkennen aus meinen – auch etwas historisch gehaltenen – Ausführungen sicher, dass eine solide und belastbare Abschätzung des Einstellungs- und Ausbildungsbedarf in einem so großen und – hinsichtlich der Schulformen und Unterrichtsfächer – sehr differenzierten Personalbereich eine äußerst komplexe und anspruchsvolle Aufgabe ist. Dafür benötigt man alles an Fachexpertise am Tisch, was man im Land bekommen kann. Denn solche grundlegenden Fehleinschätzungen, wie sie in den vergangenen Jahren an der Tagesordnung waren, können wir uns auf keinen Fall noch einmal leisten. Deshalb ist die Bildung einer breit aufgestellten Expertengruppe ein wichtiges Vorhaben.

Eine gute Vorlage für eine solche Expertenrunde hat die GEW vor der Sommerpause mit einem Forum zum „Reform und Handlungsbedarf in der Lehrerbildung“ geliefert. An die dort geführten intensiven und konstruktiven Diskussionen mit fast 40 Teilnehmern aus allen relevanten Institutionen und an das dort vorgelegte Papier sollte unbedingt angeknüpft werden.

Mit unserem Antrag drängen wir darauf, dass diese Expertengruppe umgehend eingerichtet wird und ihre Arbeit aufnehmen kann, denn es ist Gefahr im Verzuge, wie uns die zugespitzte Situation bei der Unterrichtsversorgung drastisch vor Augen führt. Die Früchte der Arbeit dieser Expertengruppe werden wir frühestens am Ende der nächsten Legislatur ernten können, weil Ausbildung nun einmal dauert - bei Lehrkräfte i.d.R. so um die 8 Jahre. Bis dahin werden wir uns über einige Jahre mit einem bunten Strauß von Notmaßnahmen irgendwie über Wasser halten müssen, weil wir nicht genügend Bewerber auf die bis zu 1.000 Ausschreibungen pro Jahr haben werden. Das Missverhältnis zwischen dem Lehrkräftebedarf und den zur Verfügung stehenden Bewerbern lässt sich nur durch eine wesentliche Erhöhung der eigenen Ausbildung im Lande beheben. Je später also diese Arbeitsgruppe zu Ergebnissen kommt, umso länger dauert diese Phase.

Wir drängen auch darauf, gegenüber den Universitäten zu einer Langfristplanung für die Grundlast in der Lehrerausbildung zu kommen, die auch eine entsprechende Grundfinanzierung nach sich ziehen muss und in den Zielvereinbarungen zu verankern ist. Die Hochschulen sind nicht in der Lage, aus temporären Mitteln die erforderlichen Strukturen aufzubauen und das erforderliche qualifizierte Lehrpersonal zu gewinnen. Soweit im Kontext der Bedarfsermittlung Standortfragen zu entscheiden sind – etwa im Hinblick auf den Aus- bzw. Aufbau der Lehreausbildung am Standort Magdeburg – bedürfen auch diese selbstverständlich eines entsprechend langen Vorlaufes und gut begründeter Bedarfsprognosen.

Letztlich ist die Gewinnung des benötigten Lehrkräftenachwuchses auch ein wichtiges parlamentarisches Thema, wie die Debatten hier im hohen Haus zur Unterrichtsversorgung oder auch zu den Kosten des Lehrpersonals und seiner Ausbildung zu Recht zeigen. Deshalb soll in den zuständigen Landtagsausschüssen zeitnah über die Tätigkeit und die Ergebnisse berichtet werden.

Ich bitte sie daher, unserem Antrag zuzustimmen und die Einrichtung dieser Expertengruppe mit dem erweiterten Auftrag entsprechend auf den Weg zu bringen.