Diese Website verwendet Cookies. Warum wir Cookies einsetzen und wie Sie diese deaktivieren können, erfahren Sie unter Datenschutz.
Zum Hauptinhalt springen

Henriette Quade zu TOP 3: Staatsangehörigkeitsrecht nicht aufweichen

Anrede,

der vorliegende Antrag kommt als kurze Positionsbestimmung gegen erleichterte Einbürgerung und Mitbestimmungsrechte für Nichtdeutsche daher, wie es von der einbringenden Fraktion nicht anders zu erwarten ist. Natürlich haben wir es hier mit einem altbekannten Reflex zu tun: Irgendetwas über mehr oder zumindest nicht weniger Rechte für Migrant_innen steht in der Zeitung oder im Netz, die AfD hyperventiliert, prophezeit den Untergang des Abendlandes und stilisiert sich zum Retter des deutschen Volkes. So weit so langweilig.

Schaut man sich den Begründungstext an und setzt ihn in Kontext insbesondere auch zur letzten Plenarsitzung, wird aber schnell deutlich: Wer zum deutschen Volk gehört will die AfD beileibe nicht nur anhand des Blutsrechtes definieren. Was genau sind denn die von Ihnen ins Feld geführten und vor allem universell für alle Deutschen in Anspruch genommenen deutschen Interessen? Ihre Fraktion und meine Fraktion bestehen aus Deutschen, aber es dürfte wenig Zweifel daran bestehen, dass die Interessen die wir verfolgen grundsätzlich unterschiedlich sind. Und allein dieses simple Beispiel macht deutlich: „Die Deutschen Interessen“ gibt es so nicht.

Wer mit Verweis auf „die deutschen Interessen“ mal dagegen argumentiert, Menschen leichter Staatsbürger werden und an demokratischen Prozessen mitzuwirken zu lassen, mal gegen die Zugehörigkeit politisch Missliebiger zum Volk, dem geht es nicht um eine Welt des Friedens, der Freiheit und des Wohlstandes, dem geht es nicht um Stabilität, wie sie es behaupten, dem geht es um Segregation, um Fragmentierung und um normative Dominanz – und angesichts ihrer inhaltlichen Positionierungen hier muss man wohl auch sagen um eliminatorische Dominanz.

Und ja, auch diesen Antrag muss man in diesen Kontext setzen um zu verstehen welche Welt die AfD will. Wenn wir uns die Situation im Einwanderungsland Deutschland anschauen wird schnell klar: Viele Menschen leben schon Jahrzehnte hier und der Staat der viele von ihnen einst gezielt angeworben hat, sagt ihnen: Eure Steuern und Eure Arbeitskraft nehmen wir gern, wir sagen euch auch, was Recht und Unrecht ist, was zivilisiert und was nicht. Aber bei der Anfertigung der Spielregeln dürft ihr euch weder aktiv noch passiv beteiligen.

1989 wollte Schleswig-Holstein diesen Missstand zumindest für die Kommunalwahlen verbessern. Der Vertrag von Maastricht brachte schließlich genau dieses kommunale Wahlrecht für Bürger anderer EU-Staaten, in vielen Ländern der EU haben auch Nicht-EU-Bürger das Kommunalwahlrecht und genau das muss ausgebaut werden. Die Bundestagsfraktion der LINKEN hat zuletzt 2014 einen Gesetzentwurf dazu in den Bundestag eingebracht, der eben auch eine entsprechende Grundgesetzänderung vorsieht. Jeder Mensch der mindestens 5 Jahre dauerhaft hier lebt und einen rechtmäßigen Aufenthaltstitel hat, hätte demnach das Recht, zu wählen. Denn jeder, der dauerhaft hier lebt ist von den Ergebnissen von Wahlen betroffen und muss das Recht haben, über die Bedingungen seines Lebens mitzuentscheiden.

Ich weiß, Sie sind schon mal fast kollabiert, als meine Kollegin Eva von Angern das gesagt hat, und wissen Sie was, ich sage Ihnen noch was: Ja, es braucht ein grundlegend anderes Nationalverständnis, es braucht einen anderen Begriff vom Staatsvolk, nicht nur anders, als sie ihn vertreten, sondern auch als er durch die deutschen Staatsangehörigkeitsgesetze bestimmt wird. Wir müssen weg von Blutrecht, weg vom Abstammungsprinzip und hin zum Ius Soli, zum Bodenrecht. Wer hier geboren ist, muss Teil des Staatsvolkes sein können, und wer dauerhaft hier lebt, der muss Teil werden können.

Bundeskanzlerin Merkel (erwartbar hat sich die AfD darauf kapriziert) sagte kürzlich „Wer hier lebt, gehört zum Volk“ und nun kann man sich trefflich über begriffliche Ungenauigkeiten und den juristischen Unterschied zwischen Volk und Bevölkerung streiten. Ich würde die Debatte lieber dazu nutzen, den überkommenen Volksbegriff zu überwinden und endlich Politik nicht mit den angeblich einheitlichen Volksinteressen zu begründen, die es nur geben könnte, wenn ein Volk in wirklich jeder Hinsicht normiert wurde. Und wir ahnen angesichts ihrer sprachlichen und ideengeschichtlichen Anleihen, wie sie das tun würden. Politik muss mit den Interessen der Bevölkerung, also aller die hier leben, und die in der Tat höchstunterschiedlich sind, begründet werden.