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Wulf Gallert zu TOP 14: Personalpolitik der Landesregierung

Ausgangspunkt unseres heutigen Antrages sind die Festlegungen zur Personalpolitik der Landesregierung im Koalitionsvertrag einschließlich der nun bekannt gewordenen anhängenden Protokollnotiz. Auf die Letztgenannte werden wir uns ausdrücklich beziehen, selbst dann, wenn diese uns bis heute nicht offiziell überreicht worden ist. Da aber selbst der Sprecher der Landesregierung öffentlich dementiert hat, dass es sich bei diesem Papier um ein Geheimpapier handeln würde, ist dies allemal legitim.  

Aber kommen wir noch einmal zurück zum eigentlichen Problem der Personalpolitik der Koalition. Gerade in diesem Bereich gab es umfangreiche Vorarbeiten - zum einen durch die Vorgängerregierung, zum anderen durch die Enquetekommission zu diesem Thema in der letzten Legislaturperiode. Vor allem die intensive Arbeit der Enquetekommission hat dazu geführt, Probleme der Personalentwicklung nach den Beschlüssen der Landesregierung offen zu legen. Im Ergebnis wurden diese Konzepte regelmäßig überarbeitet. Dabei wurden substanzielle Veränderungen vorgenommen, wie z. B. im Bereich der Hochschulen oder, noch auffälliger, im Bereich des Lehrerpersonals. Hier wurde z. B. die Zielzahl von 10.000 auf 13.500 für das Land angehoben.

Diese Veränderungen gegenüber dem ursprünglichen Konzept waren fast immer Ergebnis einer langwierigen Debatte um die Entwicklung von Aufgaben und um die diesen gegenüberstehenden Potenziale der Landesverwaltung. Am transparentesten ist dies wahrscheinlich wirklich bei der Frage des Lehrkräftebesatzes in den Schulen geworden. Hier ist in der Enquetekommission klar aufgezeigt worden, welche Folgen die Reduzierung der Personalbestand im Bereich der Schulen haben würde. Schon für das Absenken auf 13.500 Vollzeitlehrerstellen wurden vom Kultusministerium die notwendigen Konsequenzen aufgezeigt. Dazu gehört vor allem die Erhöhung der Klassenstärken, die Erhöhung der Pflichtstundenzahlen für die Lehrer und in dieser Konsequenz auch die weitere Reduzierung von Schulstandorten. Angesichts der Radikalität dieser Qualitätsverschlechterung bei einer Zielzahl von 10.000 Lehrern im Land bei gleich bleibender Schülerzahl, die dann auch zwingend eine Reduzierung des Unterrichtsangebotes zur Folge hätte, hat sich die Koalition von CDU und SPD auf eine Korrektur ursprünglicher Vorhaben verständigt.

Nur um das auch noch einmal klar zu sagen, selbst diese Zielzahl von 13.500 Lehrern bedeutet einen spürbaren Rückgang von jetzt 15.000 Lehrkräften im Dienst bei gleich bleibenden Schülerzahlen, und auch uns als Opposition ist klar, dass ein konstantes Aufrechterhalten der Zahl der öffentlich Bediensteten in Sachsen-Anhalt nicht überall und in einigen Bereichen auch nicht möglich ist.

Um auch dies noch einmal zu verdeutlichen, die Altersabgänge und die Fluktuation im Landesdienst werden in den nächsten Jahren etwa 2.000 Abgänge pro Jahr ergeben. Das Personalentwicklungskonzept der Landesregierung sprach sich für 800 Neueinstellungen pro Jahr aus. Kurz vor dem Wahltermin schien diese Zahl sich in Richtung 900 zu begeben. Unsere Vorstellungen als LINKE lagen bei etwa 1.000 Neueinstellungen pro Jahr, also eine 50 % Wiederbesetzungsquote, während sich die Koalition vor den Wahlen zwischen 40 und 45 % Wiederbesetzungsquote bewegte. Eine Differenz, die nun wahrlich überschaubar gewesen ist.

Vor diesem Hintergrund ist die Debatte darum, dass hier irgendjemand mehr Leute in den öffentlichen Dienst holen will, völlig absurd. Wir kennen alle die Rahmenbedingungen für die Personalentwicklung, sowohl die haushalterischen Zwänge als auch die selbst geschaffene Knappheit an Berufseinsteigern, z. B. im Bereich der Pädagogen.

Eine neue Situation entstand nun lediglich dadurch, dass der neue Koalitionsvertrag diesen gesellschaftlichen Kompromiss, der sich im Bereich der Personalentwicklung herausbildete, radikal aufgekündigt hat. Mit den dort festgehaltenen maximal 400 Neueinstellungen pro Jahr reduziert man die Wiederbesetzungsquote auf 20 %, oder anders formuliert: Für fünf Beschäftigte des Landesdienstes, die ausscheiden, soll nur noch eine Neueinstellung vorgenommen werden. Welche Konsequenzen das für die Perspektive der Aufgabenerfüllung in der Verantwortung des Landes hat, scheint nicht wirklich klar zu sein. Denn dazu bräuchte man die Untersetzung dieses Neueinstellungskorridors für die einzelnen Ministerien. Da gibt es im Wesentlichen nur eine Zahl, die auch im Koalitionsvertrag feststeht und das sind 6.300 Vollzugsbeamte bei der Polizei bis zum Jahre 2016. Für diejenigen, die sich damit auskennen, bedeutet das natürlich, dass wir in den nächsten Jahren mindestens 180 Neueinstellungen im Bereich des Polizeivollzuges haben müssen, um diese Zahl zu halten. Denn auch in diesem Bereich entlässt die Polizei in den nächsten Jahren jeweils zwischen 300 und 500 Beamte in den Ruhestand.

Dies wird in den anderen Bereichen die Situation noch zuspitzen. Das Problem besteht jedoch darin, dass die Dinge erst dann sichtbar werden, wenn sie nur noch sehr schwer zu ändern sind. Wenn in der Schule der Unterricht ausfällt, weil nicht genügend Lehrer da sind, braucht man Jahre, um dieses Problem zu beheben. Deswegen werden die negativen Folgen der Reduzierung des Neueinstellungskorridors überwiegend erst dann sichtbar werden, wenn die dazu führenden Entscheidungen längst gefallen sind. Vorausschauende Politik, vor allem Personalpolitik, kann und darf jedoch so nicht agieren. Deswegen fordern wir von der Landesregierung eine klare Darstellung ihres Personalentwicklungskonzeptes. Wir fordern sie auf darzulegen, mit wie vielen Menschen sie welche Aufgabe erledigen will und vor allem, welchen Aufgabenverzicht sie bei der radikalen Reduzierung des Personals vornehmen will und an welchen Stellen sie eine Verschlechterung der Aufgabenerledigung plant. Angesichts dieser Vorgaben können wir dann eine gesellschaftliche Debatte wiederholen, ob es für eine solche Entwicklung Akzeptanz gibt.

Nach unserer heutigen Analyse ist eine solche Personalpolitik nicht in der Lage, wesentliche Aufgaben der Daseinsvorsorge zu erfüllen. Wir halten sie für kurzsichtig und falsch. Wir wissen, dass viele Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag unter diesen Bedingungen überhaupt nicht umsetzbar wären, und wir verlangen von Ihnen die Auflösung dieser Widersprüche.

Das einzige inhaltliche Argument, das Sie für die Aufkündigung des Kompromisses als Landesregierung bisher verwandt haben, war die Aufnahme der Schuldenbremse in die Haushalsordnung, die die jetzige Koalition selbst initiiert hat. Dies als Begründung heran zu ziehen, ist absurd. Gegenüber den Betroffenen heißt das in etwa, ich halte mich nicht an mein Versprechen, weil ich es mir anders überlegt habe. Dies untergräbt weiterhin Vertrauen in die Politik und ist ein höchstgefährliches Agieren.

Dieses Problem wird nun dadurch noch radikal verschärft, dass diese Koalition gleichzeitig in einer zusätzlichen Protokollnotiz folgenden Passus aufnahm: „Die Staatskanzlei und jedes Ressorts erhalten im Jahr 2011 die Möglichkeit, fünf neue Stellen zu schaffen und frei zu besetzen. Die Stellen sind später abzubauen und zwischen den Ressorts beweglich. Die bereits fest vereinbarten Neueinstellungskorridore der Ressorts bleiben davon unberührt.“

Das Signal, das hier ausgesandt wird, ist doch ganz klar: Wir legen für den Einstellungskorridor des Landes Spielregeln fest, die für uns selbst nicht gelten.  Für die politische Führung gelten andere Spielregeln als für den Rest. Also nicht nur die Frage, ob ich vielleicht jede fünfte, jede dritte oder zweite oder sogar jede Stelle wieder besetze, sondern die Schaffung von neuen, hoch dotierten Stellen ist das Recht der Spitze. Und dann, liebe Kolleginnen und Kollegen, wundern wir uns demnächst wieder über Politikverdrossenheit und das schlechte Ansehen von Politikern.

Aber die Regeln wurden in diesem Zusammenhang auch noch an einer ganz anderen Stelle verletzt. Denn die Schaffung von neuen Stellen für das Haushaltsjahr 2011 hätte die Vorlage eines Nachtragshaushaltes verlangt, von dem ich bisher allerdings nichts gehört habe. Denn eins ist klar, diese Stellen kann einzig und allein der Landtag schaffen. Und nur er kann sie auch wieder abbauen. Nun könnte man der Landesregierung noch eine Brücke bauen und die Vermutung äußern, dass sie diese Stellen vielleicht doch erst im Jahre 2012 über den Haushalt einrichten will, um sie danach zu besetzen. Das würde zwar der Festlegung im Koalitionsvertrag widersprechen, wäre aber doch eine gesetzeskonforme Variante. Leider haben wir aus der Presse jedoch entnehmen können, dass z. B. im Innenministerium vier dieser Stellen bereits besetzt worden sind, und zwar offensichtlich ohne jede Ausschreibung. Eben über die freie Verfügung des zuständigen Ministers.

Ich habe bereits in meiner Erwiderung auf die Regierungserklärung darauf hingewiesen, dass wir es mit einem schleichenden Kompetenzverlust des Landtages u. a. im Bereich der Haushaltsgesetzgebung zu tun haben. Dabei waren die Abgeordneten meistens nicht unschuldig, weil wir über die Gestaltung des Haushaltsgesetzes zugelassen haben, dass im Interesse der so genannten  Flexibilisierung oder aber der Erwirtschaftung von Minderausgaben die Spielräume der Regierung immer weiter ausgeweitet wurden. Hier haben wir es jedoch mit dem besonderen Fall zu tun, dass dieses Verfahren der Koalition bzw. der Landesregierung klar gegen die gesetzlichen Regeln verstößt. Und die Frage steht für uns alle, inwieweit wir diese offensichtliche Entmündigung des Parlamentes einfach so hinnehmen oder uns dagegen gemeinsam wehren.

Tun wir es nicht, bewegen wir uns weiterhin  auf einem Pfad der sinkenden Bedeutung dieses Landtages als Gremium, der im Unterschied zur Landesregierung eine direkte demokratische Legitimation besitzt.

Deswegen formuliere ich am Ende meiner Rede drei klare politische Forderungen an die Landesregierung und an uns alle:

  1. Lassen Sie uns gemeinsam für eine zukunftsorientierte Personalpolitik in diesem Land eintreten, die nicht nur das Ziel der Ausgabenkürzung berücksichtigt, sondern auch unsere Verantwortung für die öffentliche Daseinsvorsorge, jetzt und in den nächsten Legislaturperioden.
  2. Lassen Sie uns gemeinsam ein klares Signal aussenden, dass die Regeln, die für den Landesdienst im Allgemeinen aufgestellt werden, auch die Regeln für die Politik in diesem Bereich darstellen.
  3. Wehren wir uns gemeinsam gegen die weitere Aushöhlung der Kompetenzen des Landtages durch die Landesregierung im Interesse der durch die Landesverfassung festgelegten Gewaltenteilung.