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Thomas Lippmann zu TOP 08: Lehrkräftebestand sichern und ausweiten

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren,

die verfehlte Kürzungspolitik der letzten zehn Jahre hat dazu geführt, dass wir heute überall im öffentlichen Dienst – in den meisten Verwaltungen, aber vor allem bei der Polizei und in unseren Schulen – die unmittelbaren Folgen eines gravierenden Personalmangels spüren. Gegen jeden fachlichen Einwand und vielfach gegen den Willen der Fachminister wurde der Personalabbau durch das Finanzministerium jahrelang massiv vorangetrieben. Die einzelnen Fachressorts hatten sich in die extremen Personalvorgaben zu fügen – nicht zuletzt auch deshalb, weil der Ministerpräsident diesen Kurs zu jeder Zeit gestützt hat.

Besonders hart trifft ein solcher Kurs den Schulbereich, weil hier der Arbeitsbedarf, der an jedem Tag erledigt werden muss, ganz unabweisbar entsteht, wenn die Schülerinnen und Schüler am Morgen durch die Schultür gehen. Die Schule ist eben keine Behörde, wo man unerledigte Aufgaben auf einem Schreibtisch liegen lassen kann, wenn keine Leute mehr da sind.

Das alte Personalentwicklungskonzept konnte durch seine falsche Methodik und seine fal-schen Annahmen zu keinem Zeitpunkt eine belastbare Grundlage liefern, um den Personal-bedarf an den Schulen realistisch zu planen. Und so muss sich hier im hohen Hause auch niemand wundern, wenn jetzt der Landesrechnungshof nach einer Prüfung der Personalbe-wirtschaftung im früheren Kultusministerium einmal mehr ans Licht bringt, dass hier In-transparenz und Täuschung seit Jahren an der Tagesordnung sind. Denn dieser Befund ist vor allem Ausdruck für die pure Hilflosigkeit im Fachressort gegenüber den Vorgaben aus dem Finanzministerium. Nach solchen Vorgaben kann das schulische Angebot nicht so organisiert werden, wie es von den Eltern und der Öffentlichkeit und auch hier im hohen Haus zu Recht erwartet wird.

Zwar wurde gerade beschlossen, einmal mehr ein paar Lehrereinstellungen vorzuziehen – ein Kuhhandel, wie wir ihn zwischen Finanz- und Kultusministerium zum Ende der letzten Legislatur schon mehrfach erlebt hatten – nur wird auch dies am selbst organisierten Elend wenig ändern. Auf eine entsprechende Anfrage hatte das Bildungsministerium selbst mitge-teilt, dass weitere etwa 300 Vollzeitäquivalente nötig wären, um im nächsten Schuljahr an-nähernd 103% Unterrichtsversorgung zu erreichen.Es ist also klar, dass von dem Haushalt-ansatz der Koalition kein Signal für eine spürbare Verbesserung der Unterrichtsversorgung ausgehen kann.

Mit dem heutigen Haushaltsbeschluss ist also die Zeit vorbei, in der sich Landesregierung und Bildungsminister noch hinter den Fehlern ihrer Vorgänger verstecken konnten. Ab heute, lieber Herr Tullner, verwalten sie nicht mehr nur die Probleme des noch laufenden Schul-jahrs, ab heute sind sie und die Landesregierung in ihrer Gesamtheit ebenso wie die Koaliti-onsfraktionen verantwortlich zu machen für das, was im nächsten Schuljahr gelingt und was nicht.

Und da droht ein neuer trauriger Negativrekord und das bisher schlechtestes Angebot an die Schülerinnen und Schüler seit der Wende. Denn bisher lösen sie nicht nur die alten Probleme nicht, sie vertiefen sie und sie schaffen neue.

Denn selbst das sehr bescheidene Ziel beim Stellenaufwuchs muss ja erst einmal mit qualifi-zierten Bewerbern gefüllt werden. Eingedenk der erheblichen Personalabgänge wird es not-wendig sein, zum neuen Schuljahr mindestens weitere 650 – 700 Lehrkräfte neu einzustellen. Dafür stehen aus den eigenen Seminaren bis zum Juli insgesamt lediglich knapp 190 Ab-solventen zur Verfügung, von denen nach den bisherigen Erfahrungen nicht einmal 150 ihren Weg in unsere Schulen finden werden. Wo die anderen, weit mehr als 500 Lehrkräfte, gefunden werden können, ist unklar, zumal sich jetzt auch Thüringen entschieden hat, seinen Lehrkräften ab sofort ebenfalls die Verbeamtung anzubieten.

Deshalb verdichten sich jetzt die Hinweise, welche neuen Eingriffe in die Stundenzuweisun-gen und in die Arbeitszeitverordnung der Lehrkräfte vom Bildungsminister geplant werden, um die schlechte Unterrichtsversorgung zumindest auf dem Papier besser aussehen zu las-sen. Vor allem die wichtige Bildung in unseren Grundschulen wird es wohl in einem Umfang treffen, wie es dieses Land noch nicht erlebt hat. Das sind aber alles Taschenspielertricks mit denen die Öffentlichkeit und das Parlament erneut getäuscht werden. In der Realität ist es für die Schülerinnen und Schüler egal, an welchem Ende das Unterrichtsangebot beschnitten wird – ob schon am Anfang bei der Zuweisung von Stunden oder erst am Ende beim Einsatz der Lehrkräfte – zu wenig bleibt zu wenig!

Mit unserem Antrag verfolgen wir daher das Ziel, dass endlich jede befähigte und geeignete Lehrkraft, die wir an den Schulen haben, gehalten und allen Absolventinnen und Absolventen aus unseren Seminaren eine reale Chance auf eine Anstellung im Schuldienst gegeben wird. Ministerium und Landesschulamt müssen endlich ihre Haltung zu den jungen Leuten ändern: Die Zeit ist vorbei, in der die ausgewählten Bewerber froh sein mussten, wenn sie eine der wenigen Stellen ergattern konnten. Heute ist es längst zu einer existenziellen Frage für das Schulsystem geworden, auf die Bewerber zuzugehen, um sie aktiv zu werben und sie willkommen zu heißen.

Ohne die tätige Mithilfe des Landtages kommt dieser Mentalitätswechsel in den Schulbe-hörden aber offenbar nur äußerst zäh voran. Deshalb sind die Anträge und Debatten hier im hohen Haus leider immer wieder erforderlich, auch wenn man inzwischen kalauern könnte: „Und monatlich grüßt die Unterrichtsversorgung“. Unser heutiger Antrag zielt auf die Kor-rektur von drei krassen Fehlleistungen der Landesregierung in der letzten Zeit.

Unser erster Punkt betrifft die Ausschreibung der ersten 165 Stellen im neuen Online-Verfahren. Hier ist nichts von dem, was vorher versprochen wurde, eingelöst worden. Zuerst kam die Ausschreibung mindestens vier Wochen zu spät, dann hat die Bearbeitung der Bewerbungen bis zur vergangenen Woche – also mehr als zwei Monate gedauert – und letztlich wurde von den Absolventen der beiden Seminare in Halle und Magdeburg gerade einmal die Hälfte eingestellt, obwohl versprochen wurde, allen Absolventen eine Einstellung in unsere Schulen zu ermöglichen.

Entweder wollten Sie, Herr Minister, dieses Versprechen gar nicht halten, oder Sie konnten es nicht, weil sie das Ausschreibungsverfahren nicht im Griff hatten. Ihre kleinteilige Ausschreibungspraxis hat sich erneut als unzeitgemäß erwiesen und der überstürzte und unsen-sible Umgang mit dem Online-Verfahren tat sein Übriges. Es ist schlicht inakzeptabel, dass Bewerber über zwei Monate hinweg kein einziges Signal aus dem Landesschulamt zum Stand ihrer Bewerbung erhalten. Dieser Umgang mit potentiellen Beschäftigten ist unterirdisch, um Sie selbst zu zitieren, Herr Minister.

Das erinnert mich auch noch einmal an die unbegründete Absetzung von Schulamtsdirektor Klieme. Trotz eines Urteils, das an Deutlichkeit nichts zu wünschen übriglässt, lassen Sie das Landesschulamt in der Phase der unmittelbaren Vorbereitung des neuen Schuljahres mona-telang führungslos arbeiten. Herrn Klieme die Wahrnehmung seines Amtes weiterhin zu verweigern, missachtet die Ausführungen des Gerichtes und ist verantwortungslos, Herr Mi-nister. Das Gericht hatte allerdings auch nachdrücklich darauf hingewiesen, dass es gar nicht in ihrer Verantwortung liegt, sondern in der des Ministerpräsidenten, den Schulamtsdirektor wieder – und zwar dauerhaft – in seine Funktion einzusetzen. Herr Haseloff, nehmen Sie diese Verantwortung wahr, das ist für die Schulen jetzt wichtiger, als ein paar Physikstunden zu halten.

Mit unserem Punkt 1 soll also versucht werden, in dem Verfahren zu heilen, was noch zu heilen ist. Wir haben die Hoffnung, dass bisher unberücksichtigte Bewerberinnen und Be-werber noch angesprochen und für den Schuldienst in Sachsen-Anhalt gewonnen werden können. Es ist bedauerlich, dass zu dieser Frage im Alternativantrag der Koalitionsfraktionen nichts zu lesen ist.

In unserem zweiten Punkt gehen wir darauf ein, dass seit drei Wochen die Nachricht die Runde macht, dass es im Bildungsministerium erneut keinen Plan gab, wie die 30 Absolven-ten, die Ende dieses Monats außerplanmäßig ihre Ausbildung in Halle und Magdeburg been-den werden, ohne Verzug in den Schuldienst gebracht werden können, denn wir brauchen sie unbedingt. Wir sind froh, dass die Regierungsfraktionen in ihrem Alternativantrag unsere Forderung hier aufgegriffen haben.

In unserem dritten Punkt gehen wir aus gutem Grund noch einmal auf die Weiterbeschäfti-gung der befristeten Sprachlehrer ein. Denn die bisherige Weigerung, ihnen frühzeitig die Beschäftigung auf unbefristeten Stellen anzubieten, wurde ja seitens des Bildungsministers und der CDU-Fraktion insbesondere mit der ungenügenden Qualifikation und Eignung dieser Lehrkräfte begründet. Dies hat sich aber bei näherer Betrachtung als falsch herausgestellt, denn allein ein Drittel der 185 Sprachlehrkräfte verfügte über eine vollständige Lehrerausbildung und noch einmal mehr als die Hälfte über einen wissenschaftlichen Hochschulabschluss, oft noch ergänzt durch spezielle Ausbildungen für Deutsch als Zweitsprache. Die Koalition macht sich nun auch diese Forderung von uns zu Eigen und will sie in sinnvoller Weise noch erweitern. Allerdings bleibt aufgrund der gewählten komplizierten Formulierung noch etwas unklar, welcher Personengruppe hier nun genau ein Angebot für eine unbefristete Tätigkeit im Schuldienst unterbreitet werden soll. Aber das kann der Minister sicher gleich noch aufklären.

Letztlich haben wir mit Interesse die Punkte im Alternativantrag zu vorvertraglichen Verein-barungen mit künftigen Absolventinnen und Absolventen der Seminare für Lehrämter bereits während der Ausbildung sowie zum „Seiten-“ und „Quereinstieg“ zur Kenntnis genommen. Nicht wenige im Hohen Haus werden wissen, dass meine Fraktion hier seit einiger Zeit ähnliche Forderungen erhebt. Wir sind da nicht eitel und unterstützen das natürlich, auch wenn es jetzt nicht in unserem Antrag enthalten war. Entscheidend ist vor allem, dass jetzt unverzüglich an die Umsetzung gegangen wird und man dabei endlich einmal nicht über die eigenen Füße stolpert.

Insbesondere wegen des 1.Punktes halten wir unseren Antrag aufrecht, werden uns aber bei einer Abstimmung zum Alternativantrag der Koalition den dort formulierten Anforderungen an die Landesregierung auch nicht verweigern.