Diese Website verwendet Cookies. Warum wir Cookies einsetzen und wie Sie diese deaktivieren können, erfahren Sie unter Datenschutz.
Zum Hauptinhalt springen

Thomas Lippmann zu TOP 02: Sprachlehrkräften schnell unbefristete Stellen anbieten

Für diesen Antrag, den wir heute vorlegen, sollte eigentlich keine lange Begründung erforderlich sein. Er scheint selbsterklärend. Außerdem stand bereits alles, was man dazu wissen muss, dankenswerter Weise schon gestern und auch heute in der Volksstimme. Streng genommen müsste es einen solchen Antrag überhaupt nicht geben, wenn die Landesregierung endlich ihre Arbeit erledigen würde. Doch schon seit Anfang Juni müssen wir uns hier im hohen Haus in jeder Sitzung mit der Unterrichtsversorgung beschäftigen, weil die Landesregierung die Probleme einfach nicht in den Griff bekommt. Oder weil sie die Probleme erst selbst erzeugt. Gerade demonstrieren wieder Hunderte verzweifelte Eltern mit ihren behinderten Kindern vor dem Landtag und fordern uns auf, ihre Probleme durch die fehlenden Pädagogischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter endlich ernst zu nehmen und zu lösen. Und als ob es nicht schon genug Baustellen bei der Unterrichtsversorgung gäbe, ist die Landesregierung gerade dabei, das nächste Loch aufzureißen.

Vorgestern wurde eine Massenpetition von mehr als 600 Bürgerinnen und Bürgern übergeben, mit der die Landesregierung aufgefordert wird, die Weiterbeschäftigung der über 200 befristet eingestellten Sprachlehrkräfte über den 31.12. hinaus abzusichern. Das Landesschulamt musste diese Lehrkräfte im letzten Jahr unter großen Anstrengungen kurzfristig anwerben, um dem schnell wachsenden Bedarf an Sprachförderung zu entsprechen. Und sie mussten vom LISA – ebenfalls durch kurzfristig entwickelte Qualifizierungsangebote – für ihre neue Arbeit fit gemacht werden. Die Kurse laufen z.T. noch weit über den Jahreswechsel und damit über das Ende der befristeten Arbeitsverträge hinaus, was allein schon ein klarer Hinweis auf die derzeit herrschende Planlosigkeit ist. Wenn die Landesregierung diese Lehrkräfte jetzt sang und klanglos aus den Schulen entfernt, ist dies nicht zuletzt auch eine gravierende Missachtung der Arbeit des Landesschulamtes und des LISA. Inzwischen gibt es erste Hinweise, dass die Leute dieses Schmierentheater hier auch gar nicht lange mitmachen werden, sondern ihre Verträge vorfristig kündigen und sich in den Nachbarländern besser Jobs suchen.

Dass die Landesregierung nach ihren vielen Versprechen im Koalitionsvertrag letztlich derart rabiat und rücksichtslos an die Verwaltung und die Verteilung des Mangels herangehen würden, macht mich und macht uns in der Fraktion einfach nur sprachlos. Statt anzufangen, den Mangel zu beseitigen, verteilen sie ihn um und laden ihn einfach bei den Schwächsten in unseren Schulen ab, bei den behinderten Kindern und bei den Migranten. Sie provozieren damit, dass die körperliche Unversehrtheit von Schutzbefohlenen gefährdet wird und dass an den wichtigsten Schaltstellen das Gelingen von Inklusion verhindert wird. Sie nehmen außerdem hin, dass die Pädagogen in den Schulen durch viel zu große Klassen und Schülergruppen und durch viel zu umfangreiche Aufgaben systematisch überlastet werden, dass massenhaft unbezahlte Mehrarbeit geleistet wird und dass eine Welle von Langzeiterkrankungen und Erwerbsunfähigkeit durch die Schulen rollt. Das alles ist beschämend und in höchstem Maße verantwortungslos.

Von den aktuellen Zuständen an unseren Schulen kann man sich ein ungefähres Bild machen, wenn man in das Jahr 2007 zurückblickt. Denn im Jahr 2007 hatten wir an den öffentlichen allgemeinbildenden Schulen das letzte Mal ähnliche hohe Schülerzahlen wie jetzt 2016 – nämlich etwa 175.000. Vor neun Jahren also stand den Schulen für die Erfüllung ihrer Aufgaben ein Arbeitsvolumen zur Verfügung, dass bei den Lehrkräften um fast 1.000 Vollzeiteinheiten und bei den Pädagogischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern um mehr als 500 Vollzeiteinheiten größer war als heute. Das heißt, dass wir heute unseren Schülerinnen und Schülern bezogen auf das schulische Angebot von 2007 real nur noch ein Niveau von etwa 93 Prozent durch Lehrkräfte und von 75 Prozent durch Pädagogische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu bieten haben. Den Schülerinnen und Schülern werden also schulische Angebote im Umfang von etwa 80 Mio. Euro pro Jahr entzogen, weil das erforderliche Personal nicht vorgehalten wird. Daran werden wir erinnern, wenn demnächst wieder ein Haushaltplus gefeiert wird.

Die aktuelle Unterrichtsversorgung erreicht auch sechs Wochen nach dem Schuljahresbeginn nicht einmal die 100 Prozent. In der Unterrichtsversorgung sind aber die Sprachlehrkräfte mit enthalten, die eben nicht nur Sprachförderunterricht, sondern in erheblichem Umfang auch ganz normalen Fachunterricht erteilen. Das war auch von Anfang an so geplant, weil der Einstellungskorridor für neue Lehrkräfte selbst nach mehrfacher Aufstockung nie ausgereicht hat. Das ist die Folge der Unehrlichkeit im Umgang mit dem Lehrkräftebedarf in den letzten zehn Jahren. Wenn jetzt zugelassen wird, dass diese Lehrkräfte zum Jahreswechsel ausscheiden, sinkt die Unterrichtsversorgung zum zweiten Schulhalbjahr landesweit auf etwa 98 Prozent. Es macht vor diesem Hintergrund überhaupt keinen Sinn, eine Bedarfsanalyse für den künftigen Sprachförderbedarf ins Spiel zu bringen, die ohnehin nicht das Papier wert wäre, wie wir ja alle im letzten Jahr hautnah erleben durften. Wir müssen in unseren Schulen gar keine Lehrkräfte nur für die Sprachförderung beschäftigen und schon gar nicht in einer bestimmten Größenordnung und auf Dauer. So funktioniert das System doch gar nicht.

Was gebraucht wird sind ausreichend Lehrkräfte für den ganz normalen Regelunterricht und von denen sollten möglichst viele über Kompetenzen in der Sprachförderung verfügen. Dann kann bei Bedarf auf sie zurückgegriffen werden. Durch die Feuerwehraktion im letzten Jahr haben wir davon jetzt etwa 250 mehr. Das ist – völlig unabhängig von der Frage, wie sich die Migration in den nächsten Monaten und Jahren entwickelt – ein Schatz, den wir gewonnen haben und den will die Landesregierung jetzt einfach wegwerfen. Unser Antrag berührt zwei ganz unterschiedliche Aspekte der Unterrichtsversorgung: der erste ist natürlich die Sprachförderung für die Migranten. Das ist derzeit die Hauptaufgabe der Sprachlehrer und die fällt ja ab dem 01. Januar nicht einfach weg. Wie stellen sie sich das denn vor, wie die Schulen nach den Weihnachtsferien mit den Sprachproblemen klarkommen sollen? Darüber hinaus geht es aber längst darum, dass diese Lehrkräfte auch langfristig im Fachunterricht verwendet werden. Ihr Einsatz ist ein wichtiger Beitrag, um die Lücke in der Unterrichtsversorgung nicht noch weiter aufzureißen.

Wenn es also hier im hohen Haus tatsächlich noch Zweifel am Bedarf für diese Lehrkräfte bestehen sollten, dann lassen sich diese sehr leicht aufklären. Und wenn die AfD zumindest im Interesse von Schülerinnen und Schüler einmal bereit wäre, ihre ideologische Flüchtlingsbrille für einen Augenblick abzusetzen, würden sie diesen Bedarf ebenso leicht entdecken. Es ist doch einfach nur absurd und fast schon ein „Schildbürgerstreich“, wenn man im Angesicht des gravierenden Lehrkräftemangels bewährte Lehrkräfte mitten im Schuljahr ausscheiden lässt, die man hinterher händeringend wieder sucht. Wir sind doch längst in der Situation, dass alle Lehrkräfte gehalten werden müssen, die einmal im System sind. „Wir brauchen in Zukunft jeden, der bei uns unterrichten will und kann.“ – das sollte doch langsam angekommen sein.

Und noch einmal im Klartext: Es geht in unserem Antrag nicht darum, diese Lehrkräfte alle pauschal zu übernehmen und schon gar nicht ausschließlich für den Sprachförderunterricht. Es geht darum, ihnen jetzt – bevor sie alle wieder weg sind – das Angebot der Übernahme auf eine ganz normale Lehrerstelle ab dem 01.01.2017 zu unterbreiten. Das Angebot soll dabei an drei Bedingungen geknüpft sein:

  • Die Lehrkräfte müssen einen Antrag auf die Übernahme stellen,
  • sie müssen ihre fachlich-pädagogische Eignung feststellen lassen und
  • sie müssen bereit sein, auch bis zum vollen Deputat im Fachunterricht eingesetzt zu werden, wenn der Bedarf an Sprachförderung nicht mehr gegeben sein sollte.


Wenn die Landesregierung den ruinösen Kurs in der Personalpolitik jetzt nicht beendet, werden alle Erfolge der letzten Jahre in Frage gestellt und die Bildungschancen vieler Kinder gefährdet - gerade bei den Schwächsten! Doch auch die Kinder und Jugendlichen mit Behinderungen ebenso wie die, die durch Migration zu uns kommen, bilden die Zukunft dieses Landes – auch wenn das einige hier im hohen Haus nicht gern wahrhaben wollen.

Wir fordern die Landesregierung auf, in beiden Personalkategorien unverzüglich zu handeln – bei den befristeten Sprachlehrkräften aber auch bei den Pädagogischen Mitarbeiter*innen, die den Förderschulen für Körper- und Sinnesschädigungen willkürlich entzogen wurden. Wir fordern von der Landesregierung, endlich Verantwortung zu übernehmen und sich nicht länger hinter den Haushaltsberatungen zu verstecken.

Es geht hier eben nicht darum, ob es – sinnbildlich gesprochen - zum Kindergeburtstag eine Spielkonsole oder eine neue Autorennbahn gibt. Es geht hier darum, ob das Kind Unterwäsche anhat, wenn draußen Frost herrscht. Das Schuljahr läuft seit sechs Wochen und die Personalprobleme bestehen jetzt. Lösungen irgendwann nach den Haushaltsberatungen im nächsten Jahr sind für Schüler, Eltern und Beschäftigte zu spät. Außerdem ist der Großteil der Sprachlehrkräfte für unseren Schuldienst dann schon verloren, weil sie sich längst anders orientiert haben. Die Landesregierung muss jetzt handeln.