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Stefan Gebhardt zu TOP 29: Aus Steuergeldern finanzierte Sendungen von Ministerinnen und Ministern bei Radio SAW

Als ich am letzten Wochenende zum ersten Mal hörte, dass es den Vorwurf gibt, Jens Bullerjahn hätte sich zum Thema STARK III Sendezeit bei Radio SAW gekauft, wollte ich das zunächst nicht glauben. Ich dachte, das kann schon deshalb nicht sein, weil STARK III ja ein soll tolles Förderprogramm ist, wo alle kräftig applaudieren, so dass man nicht noch mit solchen Tricks Überzeugungsarbeit leisten muss. Außerdem dachte ich, unser Finanzminister hat so etwas doch nicht nötig, er überzeugt doch gerade bei STARK III in jeder Pressekonferenz und in jedem öffentlichen Auftritt. Außerdem kommt der Jens aus dem Mansfelder Land und das ist ja schließlich die Heimat der ehrlichen Kumpel.

Nun ja, mittlerweile liegen ja viele bekannte Fakten auf dem Tisch. Natürlich wird sowohl von der Landesregierung als auch von Radio SAW heftig bestritten, dass es sich bei besagter STARK III Sondersendung um ein gekauftes Auftragswerk handelt. Das Finanzministerium erklärte postwendend, es sei alles mit rechten Dingen zugegangen
und SAW verteidigte sich wie folgt: „Das Format war und ist gekennzeichnet dadurch, dass keineswegs einseitig berichtet wird, sondern stets auch kritische Stimmen zu Wort kommen. Am Beispiel der Sendung zu STARK III bestätigten uns dies im  Nachgang zur Sendung sogar die Gegner des Investitionsprogramms STARK III.“

Wer sich die Sendung entweder im Original oder auf der Website von Radio SAW noch einmal angehört hat, kann nur eins feststellen: Nicht EIN kritisches Wort, nicht mal ein halbes ist während der gesamten Sendung zu vernehmen. Schon in der Anmoderation spricht eine nicht unsympathische Stimme: „Energieberater, Planer, Schulleiter, deren Schulen bereits von diesem Programm profitiert haben, sind heute Abend unsere Gäste.“

Interessant ist schon allein die dpa-Meldung, mit der die SAW-Sendung angekündigt wurde, dpa meldete: „Sachsen-Anhalts Finanzminister Jens Bullerjahn stellt das Sanierungsprogramm für Schulen und Kitas zusammen mit Experten in einer Live Sondersendung von Radio SAW vor. Wie der Sender mitteilte, soll dabei am Montag ab 20 Uhr erläutert werden, wie mit dem Programm Arbeitsplätze geschaffen, die Haushaltskasse entlastet und auch dem Fachkräftemangel entgegen gewirkt werden kann.“

Und noch einmal  zur Sendung selbst: Falls jemand aus dem hohen Haus  in seinem späteren Leben einmal Werbetexter zu werden, so kann ich demjenigen nur empfehlen, sich diese Sendung anzuhören. Man findet viele Beispiele für gelungene Werbetexte: „Starke Umwelt, Starkes Lernen, Starker Standort, Starker Wirtschaftsmotor. Das alles will STARK III.“ So beschreibt nicht etwa der Finanzminister, sondern die Moderatorin das Förderprogramm.

Auch die Extra in die Sendung bestellte Schulleiterin durfte sich nochmal an einem Werbetext probieren: „ Als ich heute früh die Schüler in der Aula begrüßt habe, hab ich in so viele strahlende Gesichter geguckt, wie die letzten 20 Jahre nicht.“ Fehlte bloß noch der Satz: Und dass alles wegen unserem tollen Finanzminister.

Das Motto der Sendung lautet übrigens: „Stark III. Ein starkes Stück für Sachsen-Anhalt.“
Spätestens hier muss jedem klar sein, dass die Aussage von SAW mit der kritischen Berichterstattung nicht stimmt, sondern, dass es sich um eine völlig unkritische, unreflektierte und wohlwollende Berichterstattung handelte.

Das alles allein ist schon sehr unschön. Es entspricht keinen journalistischen Standards, taugt aber noch nicht für einen Skandal. Der entscheidende Punkt ist nämlich Folgender: Ist für diese wohlwollende Berichterstattung Geld geflossen und ist im Gegenzug dafür auf die Inhalte der Sendung Einfluss genommen worden?

Dass Geld geflossen ist, bestreitet nicht einmal das Finanzministerium. Bleibt also nur noch die Frage: WOFÜR?

SAW selbst sagt, dass es für das Format „Radio SAW Spezial“ die Möglichkeit gibt, Sponsor-Partner der Sendung zu werden. Genau das hat die Landesregierung ganz offenbar gemacht. Sie hat diese Sendung mit 10.000 Euro gesponsert, und natürlich hatte sie damit auch Einfluss auf die Inhalte der Sendung.

Im Übrigen hat das die Investitionsbank auch selbst bestätigt. Der IB-Sprecher Thomas Kühne sagte der Volksstimme: „Die IB hat entschieden, dass es zu Beginn der Sendung ein Statement vom Richtliniengeber gibt, also vom Finanzminister Bullerjahn.“ Das heißt also folgendes: Laut eigener Darstellung hat die landeseigene Investitionsbank 10.000 Euro einem Radiosender gegeben, damit der Finanzminister in einer zweistündigen Sondersendung für das Förderprogramm STARK III und seine Finanzpolitik werben kann.
Und hier sagen wir klar: Das geht nicht. Das ist ein Eingriff in die journalistische Unabhängigkeit durch den Staat. Und Staatsrundfunk hat in einer Demokratie nichts zu suchen.

Was ich bis jetzt nicht verstehe, ist, dass sowohl von der Landesregierung als auch von Radio SAW kein Unrechtsbewusstsein zu spüren ist, sondern als völlig normaler Vorgang beschrieben wird.

Ich will noch einmal die rechtlichen Rahmenbedingungen kurz benennen: Im Mediengesetz des Landes Sachsen-Anhalt heißt es im Paragraf 3 Absatz 6: Berichterstattung und Informationssendungen haben den anerkannten journalistischen Grundsätzen zu folgen.  Sie müssen unabhängig und sachlich sein.“ Wie kann eine Sendung unabhängig sein, wenn derjenige, der für die Sendung im Studio ist, 10 Tausend Euro bezahlt hat? Wie kann eine Sendung unabhängig sein, wenn der Geldgeber für eine Sendung vorher den Interviewpartner diktiert hat?

Mit kann niemand erklären, dass das unabhängiger Journalismus sein soll.

Ein anderer Punkt ist der Bereich, der Produktplatzierung. Ja, es ist richtig, man kann mittlerweile auch in unserm Rundfunksystem eine Sendung sponsoren lassen und sogenanntes product-placement betreiben. Aber hier in dem vorliegenden Fall greift das nicht. Denn zum einen war die Sendung nicht als gesponserte Sendung gekennzeichnet, sondern erweckte den Eindruck einen unabhängigen journalistischen Formats. Zumindest versuchte sie das. Aber auch, wenn man die Sendung als gesponsert gekennzeichnet hätte, hätte sie nie so stattfinden dürfen. Denn im Paragraf 7 des Rundfunkstaatsvertrages heißt es nun einmal klar und deutlich, dass Themenplatzierungen unzulässig sind. Einmal ganz abgesehen davon, dass Radio SAW mit seiner Lizenz kein Homeshopping-Kanal ist, wo ich stundenlange Dauerwerbesendungen und schon gar nicht für unsere Landesregierung abspielen kann.

Aber die Dinge, die Radio SAW betreffen, werden die Landesmedienanstalt beschäftigen. Das ist auch richtig so, denn die Medienanstalt ist das entsprechende Aufsichtsorgan, welches hier einen Prüfauftrag hat.

Was wir hier zu bewerten haben, ist das Verhalten von Mitgliedern dieser Landesregierung. Und da wissen wir ja mittlerweile, dass die Stark-III-Nummer kein Einzelfall war. Die Volksstimme berichtete, dass zwei weitere Minister ähnliche Sondersendungen bei Radio SAW hatten und dass auch hier ähnliche Geldsummen geflossen sind. Man könnte also behaupten: Das alles hat System, ist bereits geübte Praxis, Tradition sozusagen.

Ich will für meine Fraktion klar sagen: Die Rundfunkfreiheit ist ein hohes Gut. Journalistische Unabhängigkeit muss stets gewahrt bleiben. Die Mediengesetze sind nicht nur Rundfunkbetreibern und Rundfunkanstalten bekannt, sondern sie sind auch den Mitgliedern einer Landesregierung bekannt. Und deshalb will ich den Ministerinnen und Ministern im Namen meiner Fraktion sagen: Die Rundfunk- und Medienlandschaft (egal ob privat oder öffentlich-rechtlich) ist kein Selbstbedienungsladen, wo man sich einfach mal so einkaufen kann, um seine Politik schön zu reden. Überzeugen Sie die Bürgerinnen und Bürger im politischen und fairen Wettbewerb, und nicht, indem sie mit Steuergeldern Sendezeiten erkaufen. Denn wie Sie jetzt sicher gemerkt haben, ist dieser Schuss gewaltig nach hinten losgegangen.