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Stefan Gebhardt zu TOP 20: Konsequenzen aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zum ZDF-Staatsvertrag

Der Anlass, heute über die Staatsferne des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu beraten, hat den gleichen Hintergrund wie die Debatte hier im Landtag im Jahr 2009. Der Hintergrund ist die sogenannte Causa Brender, also jener Vorgang beim ZDF, der an der Staatsferne zweifeln ließ. Im Jahr 2009 wurde der damalige ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender vom ZDF-Verwaltungsrat in seiner Funktion nicht bestätigt, obwohl der damalige ZDF-Intendant Herrn Brender erneut als Chefredakteur vorgeschlagen hatte. Die Wortführerschaft gegen Herrn Brender - wir erinnern uns - hatte im ZDF-Verwaltungsrat der damalige Ministerpräsident aus Hessen inne, Herr Roland Koch, der seinerzeit mit Parteifreunden dafür sorgte, dass Herr Brender als Chefredakteur nicht wieder berufen wurde. Die Motive hierfür schienen eindeutig politischer Natur zu sein. Kritiker dieses Vorgangs waren damals schon der Auffassung, dass Roland Koch mit seinen Gefolgsleuten und mit seiner Aktion dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk erheblichen Schaden zugefügt hat.

Auch hier im Landtag hatten wir dazu im Dezember 2009 eine Aktuelle Debatte auf Antrag der SPD-Fraktion. Ich möchte noch einmal aus der Begründung des damaligen Antrags auf eine Aktuelle Debatte zitieren. Dort heißt es: „Die Demissionierung des ZDF-Chefredakteurs Nikolaus Brender aus offensichtlichen politischen Opportunitätsgründen hat die Frage aufgeworfen, ob die Strukturen im ZDF im Speziellen und im öffentlich-rechtlichen Rundfunk im Allgemeinen die Unabhängigkeit journalistischen Arbeitens in jedem Fall gewährleisten können. Die lebhafte öffentliche Debatte um die ‚Causa Brender‘ zeigt, dass die Entscheidung des ZDF-Verwaltungsrats dem Ansehen und der Akzeptanz von Politik und öffentlichrechtlichem Rundfunk gleichermaßen geschadet hat.“

Wir hätten es nicht besser formulieren können. Wir sagen klar: Entweder der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist staatsfern oder er ist keiner.

Infolge dieser damaligen unsäglichen Entscheidung kam es zu einer Klage beim Bundesverfassungsgericht. Das Wirken blieb also nicht folgenlos, weil die Länder Rheinland-Pfalz und Hamburg einen Normenkontrollantrag beim Bundesverfassungsgericht gestellt hatten. Nun, seit dem 25. März 2014, haben wir ein Urteil. In dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts wurde den Klägern in weiten Teilen Recht gegeben. Denn das Gericht erkennt dem Gesetzgeber zwar einen Gestaltungsspielraum bei der Ausgestaltung der Rundfunk- und der binnenpluralen Kontrollstruktur zu. Diese Ausgestaltung muss sich aber strikt, so das Gericht, am Gebot der Staatsferne orientieren. Das Gericht entschied, dass diese Regelung des ZDF-Staatsvertrages eben jenen Anforderungen nicht genüge.

Ich will an dieser Stelle auch klar sagen, dass wir als Fraktion DIE LINKE dieses Urteil begrüßen, weil es in seiner Konsequenz die Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks stärkt und zumindest versucht, politischen Einmischungen eine Abfuhr zu erteilen.

Ich will kurz auf einige Punkte eingehen, die die Entscheidung des Verfassungsgerichts betreffen und unserer Ansicht nach auch für den Staatsvertrag über den Mitteldeutschen Rundfunk Änderungen nach sich ziehen müssen.

Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil zur Sicherung der Staatsferne klare Regelungen aufgestellt. Regel Nr. 1 lautet: Der Anteil staatlicher und staatsnaher Vertreter in den Aufsichtsgremien darf ein Drittel der Gesamtmitgliederzahl des jeweiligen Gremiums nicht übersteigen. Interessant ist an dieser Stelle auch, wie das Gericht den Begriff „ staatsnahe Mitglieder“ definiert. Das sind eben nicht nur Mitglieder einer Regierung oder Abgeordnete eines Parlaments, sondern es sind auch Wahlbeamte, wie Bürgermeister und Landräte, politische Beamte, kommunale Vertreterinnen und Vertreter sowie alle Personen, die von politischen Parteien entsandt worden sind. Sie alle sind laut Bundesverfassungsgericht als staatsnah anzusehen.

Wenn wir uns nun die Zusammensetzung der MDR-Aufsichtsgremien, des Rundfunkrates und des Verwaltungsrats, anschauen, dann wird schnell klar, dass diese vom Gericht festgesetzte Grenze von einem Drittel überschritten wird. Da das Verfassungsgericht diese Drittelregelung aber nicht nur für die Gesamtgremien, sondern auch für alle Ausschüsse des jeweiligen Aufsichtsgremiums geltend gemacht hat, wird noch deutlicher, dass aufgrund dieses jüngsten Gerichtsurteils beim MDR-Staatsvertrag Korrekturbedarf besteht.

Ein weiterer Punkt, den das Bundesverfassungsgericht angemahnt hat, ist die Sicherung der Meinungsvielfalt in den Aufsichtsgremien. Hier hat das Gericht klar definiert, dass sich in den Gremien eine wirklichkeitsgetreue gesellschaftliche Pluralität widerspiegeln müsse. Konkret sagt das Gericht, dass der Gesetzgeber die Zusammensetzung der Aufsichtsgremien so gestalten muss, dass den aktuellen gesellschaftlichen Strömungen und Kräften in Deutschland Rechnung getragen wird.

Der MDR-Staatsvertrag und die Regelung zur Zusammensetzung der Gremien stammen von Anfang der 90er-Jahre und somit aus dem letzten Jahrhundert. Deshalb habe ich ernsthaft Zweifel, dass wir damit den aktuellen gesellschaftlichen Strömungen und Kräften in Deutschland Rechnung tragen. Auch hierbei sehen wir Korrekturbedarf. Wir wollen mit unserem Antrag erreichen, dass ein Prozess zur Änderung des MDR-Staatsvertrags zügig in Gang gesetzt wird.

Wenn ich mir die Alternativanträge der Fraktionen ansehe, von denen zumindest einer heute wahrscheinlich eine Mehrheit finden wird, ist uns das schon einmal gelungen. Das können wir schon einmal konstatieren.

Wir wollen, dass erstens eine Berichterstattung der Landesregierung gegenüber den Mitgliedern des Landtages zu der Frage erfolgt, in welchem Umfang sie Korrekturbedarf sieht. Zweitens soll sie mit den Ländern Thüringen und Sachsen, die zum MDR-Gebiet gehören, verhandeln und eine Arbeitsgruppe bilden, die Vorschläge für eine Novellierung des MDR-Staatsvertrages unterbreitet.

Unser Antrag unterscheidet sich von dem Alternativantrag der Koalitionsfraktionen in einem wesentlichen Punkt: Wir wollen, dass bei dieser Arbeitsgruppe der drei Länder externer Sachverstand hinzugezogen wird, und nicht, dass die Regierungen allein daran arbeiten. Ich denke, auch aufgrund des Gerichtsurteils müsste uns klar sein, dass externer Sachverstand bei diesen Fragen dringend notwendig ist.

Nun wäre DIE LINKE nicht DIE LINKE, wenn wir nicht weitergehende Forderungen stellen würden. Ich denke auch, in MDR-Aufsichtsgremien
und in Aufsichtsgremien des öffentlich-rechtlichen Rundfunks wäre es höchste Zeit, über eine Frauenquote, also über die hälftige Besetzung der Aufsichtsgremien mit Frauen nicht nur nachzudenken, sondern diese auch umzusetzen. Außerdem wollen wir der Gerichtsentscheidung dadurch gerecht werden, indem wir mehr Pluralität durch Rotationsverfahren oder Losentscheide und durch wechselnde Mitglieder innerhalb einer Wahlperiode ermöglichen. Wir wollen damit erreichen, dass innerhalb der sechsjährigen Wahlperiode des Rundfunkrats wechselnde gesellschaftlich relevante Gruppierungen zum Zuge kommen, damit die größtmögliche Meinungsvielfalt gesichert wird, für die sich das Gericht stark eingesetzt hat. Es wäre auch höchste Zeit, eine gesetzlich garantierte Vertretung von ethnischen Minderheiten und von Migrantinnen und Migranten zu gewährleisten. Wenn ich den Alternativantrag der Koalitionsfraktionen lese, dann frage ich mich, warum sich die SPD nicht zumindest für diesen Punkt eingesetzt hat, warum wir keine gesetzliche Vertretung von ethnischen Minderheiten oder von Migrantinnen und Migranten im Rundfunkrat festschreiben wollen. Die Erklärung dafür wäre interessant.

Zum Abschluss möchte ich doch noch einmal aus dem SPD-Antrag aus dem Jahr 2009 zitieren. Zur Begründung des Antrags auf eine Aktuelle Debatte hieß es damals wörtlich: „Die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten erfüllen mit ihrem Bildungsauftrag eine wichtige gesellschaftliche Funktion. Politisches Handeln muss sich daher gerade in dieser Situation daran ausrichten, diesen Auftrag vorbehaltlos zu unterstützen. Durch die Konstituierung der Anstalten in den Staatsverträgen kommt dabei den Ländern, mithin auch Sachsen-Anhalt, eine besondere Verantwortung zu. Damit obliegt es auch dem Landtag von Sachsen-Anhalt, in dieser Situation alle Zweifel an der Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks auszuräumen und entsprechende Bemühungen zu unterstützen.“

Viel besser hätten wir es nicht formulieren können. In diesem Sinne bitte ich um Zustimmung zu unserem Antrag.