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Stefan Gebhardt zu TOP 07: Entwurf eines Kulturfördergesetzes des Landes Sachsen-Anhalt

Wenn man über ein Kulturfördergesetz in der heutigen Zeit spricht, kommt man nicht daran vorbei, sich mit der gegenwärtigen Situation unserer Kulturlandschaft auseinanderzusetzen und diese zu bewerten. Ich glaube, dass die derzeitige Situation von Sachsen-Anhalts Kulturlandschaft noch nie, oder zumindest selten so schwierig war, wie jetzt. Sie ist geprägt von einem Höchstmaß an Verunsicherung und sie ist geprägt von Angst. Angst vor einem kulturellen Kahlschlag im Kulturland Sachsen-Anhalt. Und das hat konkrete Ursachen. Hauptsächlich eine einzige Ursache. Nämlich die, dass sich viele Kulturschaffende und Kulturinteressierte getäuscht fühlen vom Verhalten der Landesregierung.

Wagen wir doch mal einen Rückblick: Es war einmal eine Landesregierung, die hatte zugegebener Maßen, eine ganz gute Idee. Die Idee bestand darin, einen Kulturkonvent einzurichten, der Empfehlungen für eine künftige Kulturpolitik abgeben sollte. So hatten es die Koalitionsfraktionen im Koalitionsvertrag vereinbart und der Kultusminister Herr Dorgerloh hat dieses Vorhaben einst mitbefördert. Die Einsetzung eines solchen Kulturkonvents wurde vom Landtag einstimmig beschlossen. Er hat über ein Jahr intensiv gearbeitet, das kulturelle Gesicht Sachsen-Anhalts ausführlich beschrieben, die Herausforderungen in der Kulturpolitik klar benannt und insgesamt 163 Empfehlungen für die künftige Kulturpolitik verabschiedet.

Nun könnte man meinen, dass jetzt eigentlich die Politik am Zug wäre und sich daran macht, diese Empfehlungen des Kulturkonvents aufzugreifen und umzusetzen.
Doch weit gefehlt: Die Empfehlungen des Kulturkonvents werden nicht nur nicht umgesetzt, es ist sogar so, dass die aktuellen Haushalts-Entscheidungen der Landesregierung, die Konventsempfehlungen konterkarieren, sie quasi auf den Kopf stellen und unterm Strich genau das Gegenteil gemacht wird, von dem, was der Konvent empfohlen hat. Anders kann man die Kabinettsbeschlüsse nicht werten, die eine massive Kürzung bei den Theatern und Orchestern im Land vorsehen sodass hier sogar ganze Einrichtungen in Frage gestellt werden.

Ich möchte sie daran erinnern, dass ausnahmslos alle Konventsmitglieder ehrenamtlich tätig waren, sich viel Zeit ans Bein gebunden haben, mehrere Sitzungen und Klausurtagungen erlebt haben und schließlich einen umfassenden Bericht mit Empfehlungen erarbeitet haben. Wie bitteschön will man künftig Leute für ehrenamtliches Engagement gewinnen, wie will man auch künftig erreichen, dass sich Leute aus Sachsen-Anhalt für ihr Kulturland engagieren, wenn man so mit ihrer Arbeit umgeht?

Nun ist allerdings der vom Kabinett gebilligte Haushaltsentwurf nur eine Folge bzw. sogar eine logische Konsequenz aus ihrem bisherigen Agieren. Denn bereits während der Konvent noch mitten in seiner Arbeit war, fing die Landesregierung an, im Kulturbereich deutliche Kürzungen vorzunehmen. Der ursprünglich zugesagte Status Quo beim Kulturhaushalt war schnell wieder vergessen und der Etat wurde abgesenkt, obwohl der Kulturkonvent heftig dagegen protestierte. Und kurz nachdem der Abschlussbericht mit seinen Empfehlungen beschlossen wurde äußerte sich der Finanzminister, dass es sich der Konvent zu einfach gemacht habe, aber er erst mal die Empfehlungen lesen müsse.
Spätestens hier war klar, wo die Reise hingehen würde. Spätestens hier (wenn ein Finanzminister sich schon ablehnend äußert, obwohl er selbst sagt, die Empfehlungen noch gar nicht zu kennen) wurde klar, dass sich das Kabinett überhaupt nicht für die Konventsempfehlungen interessiert und sie schließlich torpedieren wird. Meine Fraktion findet dieses Agieren schlichtweg unglaublich und auch ein ganzes Stück unverschämt. Zum einen, weil ehrenamtliche Arbeit mit Füßen getreten wird und zum anderen, weil die Reise, die diese Landesregierung antreten will, ins kulturpolitische Nirwana führt.

Sachsen-Anhalt ist ohne jeden Zweifel ein Kulturland. Ich behaupte: Kein anderes Bundesland hat einen solch vielfältigen kulturellen Reichtum zu bieten, wie unser Land. In der Präambel des Berichts des Kulturkonvents wird das kulturelle Erbe Sachsen-Anhalts als „bemerkenswert“ bezeichnet. Weiter heißt es in der Präambel: „Das kulturelle Erbe gilt es zu bewahren und für die kommenden Generationen in die Zukunft zu führen…. Kunst und Kultur sind ein Grundbedürfnis nach Bildung, Identifikation, Kreativität und ästhetischer Teilhabe. … Die Förderung von Kunst und Kultur sehen wir als Investition in die Zukunft an.“

Ich denke, das sind Sätze, die so gut wie jeder versteht und nachvollziehen kann.
Dass Sachsen-Anhalt ein sehr reiches kulturelles Erbe besitzt,
dass wir die meisten Weltkulturerbestätten haben, dass wir über die größte Dichte an Domen, Schlössern, Parks und Gärten haben, dass wir allein mit den Namen Händel, Telemann und Weill ein herausragendes Musikland darstellen und dass wir das Land der Reformation sind. All das sind längst bekannte Fakten, die unser Land ausmachen.

Wir haben in Sachsen-Anhalt aber nicht nur ein Erbe, was es zu bewahren gilt, wir haben auch eine kulturelle Gegenwart und hoffentlich auch eine lebendige Zukunft als Kulturland Sachsen-Anhalt. Hierzu tragen unzählige Kulturschaffende, Künstlerinnen und Künstler bei, ob in Museen, Musikschulen, Bibliotheken, Galerien, Kunst- und Kulturvereinen, Stiftungen, in der Literaturlandschaft, der Heimat- und Traditionspflege, den Kirchen, im Chor oder in einer Rockband. Und in den Theatern- und Orchestern.

Ja, Sachsen-Anhalt hat ein dichtes Netz an Theatern und Orchestern, und wir sollten unsere Kraft und unseren Einfallsreichtum darauf konzentrieren, wie wir dieses Netz, wie wir unsere vielfältige Kulturlandschaft erhalten, ausbauen und gestalten können. Und nicht wo man noch die Axt ansetzen kann und den Sparhammer weiter schwingen kann. Ihr Sparen ist blindes Kürzen. Und das ist keine Kunst und verlangt auch keine Kreativität. Die Antwort auf die Frage: Wie man auch künftig unsere Kulturlandschaft finanzieren kann verlangt das schon deutlich mehr. Und genau damit hat sich auch der Kulturkonvent sehr ausführlich beschäftigt.

Der vorliegende Entwurf für ein Kulturfördergesetz hat wesentliche Punkte und Empfehlungen des Kulturkonvents aufgegriffen und will diese in die Realität umsetzen. Denn der Konvent hat deutlich mehr an Empfehlungen beschlossen, als den Kulturetat aufzustocken. Er hat sich vor allem auch dazu geäußert, wie mehr Geld ins System für Kulturförderung gelangen kann. Dem will die Fraktion DIE LINKE mit ihrem Gesetzentwurf gerecht werden. Wir nehmen also zentrale Forderungen des Kulturkonvents auf und wollen, dass diese umgesetzt werden.

Im Mittelpunkt des Gesetzes steht die Bildung von Kulturregionen. Hier verfolgen wir das Ziel, eine solidarische Beteiligung aller Landkreise und kreisfreien Städte an der Finanzierung von herausragenden Kultureinrichtungen und Kulturprojekten zu erreichen. Das ist aus unserer Sicht längst überfällig. Denn von überörtlich bedeutenden Einrichtungen profitiert nicht nur die jeweilige Kommune, wo sich diese Einrichtung befindet, sondern die gesamte Region.

Nehmen wir doch als Beispiel die Theater und Orchester: Die ZuschauerInnen, die ein Theater oder Orchester besuchen kommen eben nicht nur aus der Stadt, in der sich das Theater befindet. Sie kommen nachweislich aus dem Umland, aus der Region. Aber die Sitzkommune finanziert in den allermeisten Fällen ganz allein die jeweilige Einrichtung. Und damit ist sie in zunehmendem Maße überfordert.

Dass es bislang keine solidarische Umlandfinanzierung gab, ist übrigens auch ein Grund dafür, dass es zu Schließungen von Theatern oder von Theatersparten in der Vergangenheit kam. Und das fast überall Haustarife beschlossen wurden, die aus unserer Sicht endlich der Vergangenheit angehören sollten.

Ich will hier aber auch betonen, dass es uns nicht ausschließlich um die Theater und Orchester geht – es geht um alle überörtlich bedeutenden Kultureinrichtungen- und Projekte. Welche das genau sind, muss in der jeweiligen Kulturregion ausgehandelt und erstritten werden.

Aber unser Gesetzentwurf sieht vor, dass alle Einrichtungen, wo ein verstetigter Landeszuschuss fließt auch automatische eine überörtliche Bedeutung hat.
Da fällt mir z.B. sofort das Winckelmannmuseum in Stendal ein.

Bei unserem Vorschlag bezüglich des Zuschnitts der Kulturregionen haben wir uns an den bereits existierenden Planungsregionen orientiert. Das macht schon deshalb Sinn, weil die Planungsregionen ja bereist touristisch bzw. kulturtouristisch zusammenarbeiten. Und wir haben ein Einstimmigkeitsprinzip vorgeschlagen, weil wir nicht wollen, dass irgendein Landkreis oder eine kreisfreie Stadt über den Tisch gezogen werden könnte. Wir wollen, dass sich die Beteiligten einigen und nicht der eine über den anderen siegt. Unser Ziel ist es hier eben auch, demokratische Aushandlungsprozesse vor Ort befördern.

Im Artikel 1 sind noch zwei weitere Details vorgeschlagen: Zum einen, soll sich die Umlagehöhe, mit der sich die gesamte Region an der Finanzierung der jeweiligen Einrichtung beteiligt, an der Höhe der Landesförderung orientieren. Damit soll auch verhindert werden, dass ein Landkreis nur einen Euro als Umlage einspeisen will und somit der Grundgedanke des Gesetzes ausgehebelt wird. Aber wir wollen auch die jeweiligen Träger der Einrichtung nicht ganz aus der Verantwortung lassen. Deshalb haben wir formuliert, dass sich eben auch die Träger (und das ist in den meisten Fällen immer auch die Sitzkommune) künftig in angemessener Höhe beteiligen müssen. Es geht uns eben um eine solidarische, gemeinsame Finanzierung und somit um die Sicherung von unverzichtbaren Einrichtungen mit überregionaler Wirkung. Es geht um nicht mehr und nicht weniger, als um die Sicherung unserer reichhaltigen und vielfältigen Kulturlandschaft.

Ja, mit dem Artikel 1 unseres Gesetzentwurfes geben wir den neuen kommunalen Zweckverbänden eine neue Pflichtaufgabe. Gleichzeitig eröffnen wir den Landkreisen neue finanzielle Einnahmequellen. Auch hier orientiert sich Die Linke an dem Bericht des Kulturkonvents.

Zum einen schlagen wir vor, eine Abgabe von 25 Cent auf Eintrittskarten für Kulturveranstaltungen ab einem Kartenpreis von 5,00 Euro zu erheben
Kinderveranstaltungen sollen laut unserem Vorschlag hiervon ausgenommen werden. Mit dem Vorschlag einer solchen Abgabe, die auch als „Kulturgroschen“ bezeichnet wird, orientieren wir uns an dem Modell der Stadt Weimar. Hier wird seit einigen Jahren eine solche Abgabe erhoben und die eingenommenen Mittel (von nicht unbeachtlicher Höhe) kommen eins zu eins den dortigen Kultureinrichtungen zu Gute.

Der Kulturkonvent hatte hierzu eine Anhörung mit Vertretern der Stadt Weimar veranstaltet und uns hat diese Art der Kulturfinanzierung überzeugt. Eben auch, weil mit wenig Cent pro Person ein doch recht hoher Gesamtbedarf erwirtschaftet wird.
Für den einzelnen durchaus machbar und bezahlbar, niemand wird mit 25 Cent überfordert, und insgesamt ein Betrag, der hilft, die Kulturlandschaft auszufinanzieren

Die weitere Einnahmequelle, die wir im Gesetzentwurf vorschlagen, wurde auch als Empfehlung von Kulturkonvent beschlossen: Die Kulturförderabgabe bei Übernachtungen. Hier schlagen wir konkret 2% pro Übernachtung vor. Mit dieser prozentualen Regelung lässt sich auch eine gerechte Regelung schaffen, da ein niedriger Übernachtungspreis (wie bei Jugendherbergen) auch weniger Abgabe bedeutet. Der durchschnittliche Übernachtungspreis in Sachsen-Anhalt liegt ungefähr bei 70 Euro. Das würde eine durchschnittliche Abgabe von 1,40 Euro bedeuten und die halten wir für Hotelgäste auch für zumutbar. Und die derzeitigen Übernachtungszahlen zeigen, dass mit einer solchen Regelung tatsächlich einige Millionen in die Kassen gespült werden würden. Zwischen 7,5 und 8 Mio. Euro würden wir bei der gegenwärtigen Übernachtungsstatistik einnehmen können. Ich finde, das ist eine lohnenswerte Geschichte.

In vielen Kommunen in der Bundesrepublik gibt es bereits eine solche Bettensteuer bzw. Kulturförderabgabe. Und wo bitteschön sonst wäre sie angebrachter, als im bedeutenden Kulturland Sachsen-Anhalt?

Ich will gar nicht verheimlichen, dass das alles rechtlich nicht so einfach war, ein solches Gesetz zu erarbeiten und dass uns die ständigen Hinweise des Gesetzgebungs- und Beratungsdienstes (GBD) auch schon fast verzweifeln ließen. Wir hätten natürlich bei den beiden Steuern (Kulturförderabgabe und Kulturgroschen) eine unmittelbare Zweckbindung zu Gunsten der Kulturfinanzierung gehabt. Aus Sicht des GBD ist dies aber nicht möglich, da die Auffassung besteht, dass Steuern nicht zweckgebunden werden dürfen. Aber: Wir geben den Kommunen eine neue Pflichtaufgabe und eröffnen zeitgleich neue Einnahmemöglichkeiten. Insofern ist uns zumindest eine indirekte Zweckbindung gelungen. Ich denke aber, dass wir uns im Ausschuss hierzu noch mal verständigen sollten und ich freue mich auf diese Auseinandersetzung zu diesem Thema.

Mit diesem Gesetzentwurf betreten wir Neuland. Aber: Mit unseren Forderungen und Vorschlägen sind wir ganz und gar nicht allein, sondern erfahren vielfache Unterstützung. Zum einen natürlich vom Kulturkonvent, an dessen Empfehlungen wir uns ja orientieren. Dankbar bin ich auch dem Tourismusverband, der mir in einem Schreiben persönlich mitgeteilt hat, dass sie das Vorhaben einer Kulturförderabgabe löblich finden und sie hier mit uns an einem Strang ziehen.

Zum Thema Bildung von Kulturregionen und einer solidarischen Finanzierung erhielten wir etwas überraschend die Unterstützung des Landesrechnungshofpräsidenten. Wörtlich meinte der Präsident in seiner jüngsten Stellungnahme: «Vor allem ist es wichtig zu prüfen, wie das Umland der Theater- und Orchesterstandorte an der Finanzierung beteiligt werden kann», Verpflichtende Formen der Zusammenarbeit wie in Sachsen seien ein möglicher Weg. Recht hat er.

Und auch der Kultusminister findet Ansätze unseres Gesetzentwurfes offenbar ganz gut. Zumindest zum Thema Bettensteuer bzw. Kulturförderabgabe äußerte er sich unlängst wohlwollend und zeigte sich diesem Vorschlag gegenüber sehr aufgeschlossen.