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Stefan Gebhardt zu TOP 03: Theatern und Orchestern in Sachsen-Anhalt eine Zukunft geben

So manch einer hat vielleicht unseren Antrag mit Verwunderung gelesen, denn im Allgemeinen erwartet man wohl von der Opposition, dass sie sich an Maximalforderungen orientiert und diese Maximalforderung zur Grundlage ihres politischen Agierens macht.
Dieser Antrag tut dies ausdrücklich nicht – und das ist auch unsere Absicht.

Um nicht falsch verstanden zu werden: Wir halten viele Empfehlungen und Forderungen, die aus dem Kulturbereich an die Politik gerichtet werden, für gerechtfertigt. Das betrifft sowohl die Empfehlungen des Kulturkonvents, den Kulturetat des Landes eckwerterhöhend auf 100 Millionen Euro festzusetzen, das betrifft ebenso die Empfehlung des Konvents, es nicht bei diesen 100 Millionen Euro zu belassen, sondern einen Dynamisierungsfaktor in Höhe des jeweiligen Inflationsausgleichs einzusetzen.

Genauso unterstützenswert empfinden wir die Forderung, für alle Theater und Orchester im Land ab dem nächsten Haushaltsjahr mehr Geld als bisher zur Verfügung zu stellen.
Und schließlich könnten wir uns auch der Forderung anschließen, dass alle Beschäftigten der Theater und Orchester ab dem kommenden Jahr keine Haustarifverträge mehr bekommen und stattdessen die im öffentlichen Dienst geltenden Tarifverträge einzuführen, woran sich das Land finanziell nochmals mit einer weiteren Millionen-Summe beteiligen sollte.

All diese Forderungen, die von den Theatern und Orchestern, ihren Trägern, ihren Fördervereinen, von der neu gegründeten Kulturkonferenz des Landes und vielen weiteren Kulturorganisationen erhoben werden, sind aus Sicht der Linken vollkommen legitim und berechtigt. Dennoch werden Sie in unserem Antrag diese Maximalforderungen nicht wiederfinden.

Wir wollen mit diesem Antrag den erstgemeinten Versuch wagen, hier eine Art Kompromissvorschlag anzubieten, der zumindest sichern würde, dass ab dem kommenden Jahr im Kulturland Sachsen-Anhalt nicht vollständig die Lichter ausgehen.
Die Überschrift zum Antrag könnte auch lauten „Das Schlimmste für das Kulturland Sachsen-Anhalt verhindern“ – oder anders gesagt: „Retten, was zu retten ist“.
Ich will noch mal versuchen, kurz und in groben Zügen die derzeitige Situation für die Theater und Orchester und ihre Träger zu beschreiben.

Entgegen der Empfehlung des Kulturkonvents will die Landesregierung ab dem kommenden Jahr bei den Theatern und Orchestern insgesamt fast 7 Millionen Euro streichen, fast 3 Millionen bei den Einrichtungen der Stadt Halle und fast die gleiche Summe beim Anhaltischen Theater in  Dessau-Roßlau.
Über der Landesbühne der Lutherstadt Eisleben schwebt nach wie vor das Damokles-Schwert, da für das kommende Jahr nur noch die Hälfte der bisherigen Landeszuschüsse fließen sollen und in den Jahren darauf das Land seine Finanzierung völlig einstellen möchte, was die definitive Schließung dieses Theaters zur Folge hätte.

Die Situation scheint insgesamt sehr verfahren zu sein, und den Theater- und Orchester- tragenden Kommunen droht ab dem nächsten Jahr ein Fiasko, sollte es uns nicht gelingen, doch noch das Ruder herumzureißen.

Bei den von der Landesregierung anvisierten Kürzungen stehen die betroffenen Trägerkommunen vor der klassischen Wahl zwischen Pest und Cholera.
Exemplarisch lässt sich dies ganz gut am Beispiel Dessau-Roßlau erläutern: Wie die dortige Stadtverwaltung mitteilte, würde selbst die vom Land favorisierte Variante eines abgespeckten Musiktheaters nicht funktionieren, weil selbst dafür die bereitgestellten Mittel nicht ausreichen. Mehrere Gutachten haben eindeutig belegt, dass bei der anvisierten drastischen Reduzierung von künstlerischem Personal am Anhaltischen Theater dieses Haus überhaupt keine vernünftige Auslastung mehr erreichen könnte.
Ebenso haben die Gutachten ermittelt, dass allein in Dessau-Roßlau dann Abfindungszahlungen in Höhe von Mindestens 12 Millionen Euro anstehen würden.

Knapp drei Millionen Landeszuschüsse für ein Theater zu kürzen - mit dem Effekt, dafür 12 Millionen Euro Abfindungen zu zahlen – wäre ein äußerst absurder Vorgang, der sowohl kulturpolitisch als auch finanzpolitisch ein absolutes Harakiri darstellt.
Der Generalintendant des Dessauer Theaters, André Bücker, brachte gegenüber der Mitteldeutschen Zeitung die Alternativen für die Stadt Dessau-Roßlau wie folgt auf den Punkt: „Entweder behält sie das Theater und geht Pleite – oder sie wickelt es ab und geht ebenfalls Pleite.“ Da hat er zweifelsohne Recht. Vor allem macht es aber deutlich, dass es hier nicht nur um die Zukunft der Theater und Orchester geht: Es geht auch um die Zukunft der jeweiligen Städte. Auch das hat uns veranlasst, diesen Antrag hier heute zu stellen.

Ich möchte nun kurz auf die einzelnen Punkte unseres Antrags eingehen.

Im Punkt 1 nehmen wir Bezug auf die Empfehlungen des Kulturkonvents und möchten dafür sorgen, dass die Empfehlungen des Konvents endlich auch die Würdigung erfahren, die sie verdienen. Ich möchte daran erinnern, dass wir in diesem Hause einstimmig die Errichtung des Kulturkonvents beschlossen haben, dass dieser ein Jahr intensiv gearbeitet hat und letztendlich 163 Empfehlungen für eine künftige Kulturpolitik im Land abgegeben hat.

Es kann ja sein, dass die eine oder andere Empfehlung dem einen oder anderen im Haus nicht so recht passt. Aber: Wenn sie deshalb auch weiterhin nur mit Missachtung behandelt werden und im politischen Agieren von Koalition und Landesregierung so gut wie keine Rolle spielen, ist dies ein unglaublicher Vorgang. Dann hätten Sie auf den Konvent verzichten und sich selbst Empfehlungen  geben müssen. Wir alle aber im Haus wollten diesen Konvent – und jetzt müssen wir mit seinen Empfehlungen auch umgehen können. Deshalb ist es wohl nicht zu viel verlangt, wenn der Landtag erwartet, dass die Landesregierung diese Empfehlungen so weit wie möglich in das Kulturkonzept aufnimmt.
Apropos Landeskulturkonzept: Seit dem letzten Monat liegt ein solches Papier des Kultusministers vor, zu dem wir uns intern im Ausschuss als auch in einer öffentlichen Anhörung beschäftigt haben.

Angehört wurden alle ehemaligen Mitglieder des Kulturkonvents. Und das Ergebnis war eindeutig: Es lautete nämlich, dass dieses Papier viel zu unkonkret sei, um es als Konzeption zu bezeichnen, und man vermisse eine Auseinandersetzung mit den wesentlichen Empfehlungen des Kulturkonvents. Diese Beurteilung ist keine exklusive Einschätzung der Linksfraktion, sondern sie zog sich wie ein roter Faden durch die Anhörung der Kulturinstitutionen, und auch der Ausschussvorsitzende Gunnar Schellenberger äußerte die gleiche Auffassung gegenüber der Mitteldeutschen Zeitung.
Wir befinden uns also mit den Inhalten des Punktes 1 unseres Antrages in guter Gesellschaft.

Im Punkt 2 unseres Antrages haben wir etwas formuliert, was eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein sollte, was aber aus unserer Sicht aufgrund der aktuellen Situation noch mal gesagt werden muss: Wenn man so manche kulturpolitische Äußerung von der Landesregierung oder den Koalitionsfraktionen in jüngster Zeit gehört hat, wird einem der Eindruck vermittelt, dass unsere Theater und Orchester ein überflüssiger Kropf im Land seien. Wir halten es deshalb für dringend erforderlich, hier noch einmal klar und deutlich zu sagen, dass die Theater und Orchester in Sachsen-Anhalt einen unverzichtbaren Beitrag zur kulturellen und demokratischen Entwicklung im Land leisten und dass sie den kulturellen Bedürfnissen einer großen Anzahl unserer Bürgerinnen und Bürger entsprechen. Dass diese Bedürfnisse nach wie vor vorhanden sind und sich eben nicht analog der demografischen Abwärtsspirale verhalten, belegen die konstanten Zuschauerzahlen. Nehmen Sie doch bitte zur Kenntnis, dass beispielsweise in Halle beim neuen theater die Zuschauerzahlen sogar deutlich gestiegen sind. Nehmen Sie doch bitte auch zur Kenntnis, dass es der Landesbühne in der Lutherstadt Eisleben in jeder Spielzeit gelingt, zirka 60.000 Besucherinnen und Besucher zu verzeichnen, obwohl sich die Einwohnerzahl in dieser Region seit den 90-er Jahren nahezu halbiert hat.

Wir möchten, dass die Theater und Orchester ihr Wirken auch in Zukunft gesichert fortsetzen können und nehmen in Punkt 2 des Antrags Bezug auf die Resolutionen von diversen kommunalen Gremien, beispielsweise von den Stadträten bzw. Kreistagen aus Halle, Dessau-Roßlau und Mansfeld-Südharz. Ich möchte natürlich nicht verhehlen, dass ich insbesondere auf das Abstimmungsverhalten von Kolleginnen und Kollegen gespannt bin, die als Landtagsabgeordnete in ihrem jeweiligen Stadtrat oder Kreistag jene Resolutionen mit beschlossen haben. Ich hoffe sehr, dass sich ihre Schizophrenie in Grenzen hält.

Kommen wir zum dritten Punkt unseres Antrags. Hier wollen wir versuchen, mal mit einer legende aufzuräumen. Der Legende nämlich, dass in der theater- und Orchesterlandschaft jetzt endlich mal was passieren müsste und sogenannte Strukturanpassungen jetzt endlich und erstmals vorgenommen werden müssen.

Wer hier behauptet, wir hätten immer noch die gleiche Theater- und Orchesterlandschaft in Sachsen-Anhalt wie in den 90-ern, der verkennt die Wirklichkeit. Um alle sogenannten Strukturveränderungen aufzuzählen, die seit den 90-er Jahren passiert sind, reicht meine Redezeit leider nicht aus. Aber ich will daran erinnern, dass in Wittenberg, Bernburg und Zeitz ganze Theater geschlossen wurden, dass es in Eisleben, Stendal und anderswo zum Spartenabbau kam und dass in der letzten Landtags-Legislatur in Halle zwei Orchester zu einem fusionierten und das Thalia nicht nur seine Eigenständigkeit, sondern auch seine Spielstätte verlor. Dies alles macht deutlich, dass in der Theater- und Orchesterstruktur schon immer Bewegung war und dass es leider auch zu einem massiven Abbau in der Vergangenheit geführt hat.

Hören Sie bitte endlich auf zu suggerieren, die Theater und Orchester hätten bislang wie die Made im Speck gelebt und müssten sich jetzt endlich mal mit Strukturanpassungen befassen. Und wenn Sie weitere Strukturveränderungen wollen, dann geht es schlicht und ergreifend nur, wenn die Rahmenbedingungen hierfür stimmig sind.
Das heißt, wenn man solche Prozesse auch finanziell begleitet und den Trägern vor allem auch genügend Zeit einräumt, solche Prozesse vorzubereiten und umzusetzen.
Das jetzt gesetzte Zeitfenster bis zum Dezember dieses Jahres oder auch bis zum 1.1.2014  ist vollkommen unrealistisch, um Strukturveränderungen, wie sie manchen hier vielleicht vorschweben, umzusetzen. Es sei denn, man riskiert nicht nur einen kulturpolitischen, sondern auch einen kommunalpolitischen Kollateralschaden, wie es ihn wohl bisher in der Geschichte Sachsen-Anhalts noch nicht gegeben hat.

Wenn Sie Beweise für diese These haben wollen, lesen Sie ganz einfach die Gutachten für das Anhaltische Theater oder für die Theater, Oper und Orchester GmbH in Halle.
Wir wollen einen solchen Supergau  verhindern und hoffen, dass sich auch bei anderen in diesem Hause die Vernunft durchsetzt.

Das Mindeste, was man den Theatern und Orchestern und ihren Trägern für die nächsten Jahre gewähren muss, ist ein finanzieller Status Quo. Das heißt, ein Gewähren der gleichen Zuschüsse wie in den letzten Jahren auch. Im Übrigen ist auch diese Forderung keine exklusive der Linksfraktion. Erst letzte Woche hat sich die Kulturkonferenz Sachsen-Anhalt zu Wort gemeldet. Für die Kulturkonferenz sprachen bemerkenswerter Weise keine Theater- oder Orchesterleute, sondern Christian Reinicke vom Landesverband der Musikschulen und Frau Kopp-Sievers, die Geschäftsführerin des Museumsverbandes.
Auch diese forderten ein finanzielles Moratorium für die Theater und Orchester, weil auch sie erkannt haben, dass der von der Landesregierung angestrebte Weg nicht funktionieren wird, weil er nicht funktionieren kann. Und weil diese beiden exponierten Vertreter der Kulturlandschaft Sachsen-Anhalts auch ganz offensichtlich wissen, welchen unverzichtbaren Beitrag unsere Theater und Orchester seit vielen Jahren für das Land leisten.

Kommen wir noch kurz zum letzten Punkt unseres Antrags, den Haustarifverträgen.
So lange es an Häusern Haustarifverträge gibt, wird es auch keine Strukturveränderungen geben können. Das Grundprinzip von Hausverträgen ist bekanntermaßen folgendes: Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verzichten auf einen bestimmten Prozentsatz ihres Gehalts, dafür gibt es keine Entlassungen und alle bleiben weiter beschäftigt. Die Haustarifverträge in Sachsen-Anhalt haben eine unterschiedliche Laufzeit, in Halle laufen sie für die Orchestermusiker bis in das Jahr 2018. Das heißt dann logischerweise, dass man – so lange es Haustarifverträge gibt – überhaupt gar keinen Personalabbau realisieren kann. Und das wiederum heißt, dass es keine Strukturveränderungen geben kann. Auch deswegen muss es unser Ziel sein, dass Haustarifverträge bei den Theatern und Orchestern überwunden werden müssen und die Beschäftigten wieder die im öffentlichen Dienst üblichen Tarifverträge erhalten.

Wir wissen, dass das nicht von heute auf morgen geht und haben deshalb in unserem Antrag für eine schrittweise Überwindung plädiert. Klar muss uns sein, dass wir in den nächsten Jahren bei diesem Prozess die Träger, also die Kommunen, nicht allein lassen dürfen. Eine angemessene finanzielle Beteiligung durch das Land ist hier unausweichlich.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, in der letzten Zeit haben wir uns relativ viel mit den Theatern und Orchestern im Land auseinander gesetzt. Ich habe in meinem Debattenbeitrag darauf verzichtet, auf die Theater und Orchester einzugehen, die laut dem Haushaltsplanentwurf von Landeskürzungen verschont bleiben sollen. Ich will jedoch nicht verheimlichen, dass auch deren Situation alles andere als rosig und für uns keinesfalls befriedigend ist.

Wir kennen auch die Forderungen dieser Häuser, beispielsweise aus Magdeburg, Naumburg und Stendal, dass auch deren Landesförderung, obwohl sie stabil bleibt, eigentlich zu gering ist und eigentlich erhöht werden müsste. Ich erläuterte aber zu Beginn meines Beitrags, dass wir eben auf Maximalforderungen verzichtet haben. Obwohl es wie bereits gesagt gute Gründe gäbe, auch hier und heute für 100 Millionen Euro im Kulturetat und für mehr Geld als bisher in der Theater- und Orchesterlandschaft zu streiten. Wir sehen aber auch aufgrund der Diskussionen in der Vergangenheit keine Chance auf Erfolg für ein solches Anliegen. Deshalb bieten wir der Koalition mit diesem Antrag eine Art Kompromiss an, den wir für realpolitisch, für machbar und finanzierbar halten. Es ist sozusagen der Versuch, Ihnen eine Brücke zu bauen. Aber drüber gehen müssen Sie selber.