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Stefan Gebhardt zu TOP 02: Haushaltsplan für das Haushaltsjahr 2014

Wie mein Fraktionsvorsitzender Wulf Gallert heute schon völlig korrekt feststellte, standen viele Bereiche des Landeshaushalts im Fokus der Öffentlichkeit, und zwar die Bereiche, die mit Kürzungsvorhaben der Landesregierung konfrontiert wurden. Das betrifft auch das in ganz besonderem Maße den Kulturbereich, hier vor allem die vom Sparwahn betroffenen Theater und Orchester im Land.

Bekanntermaßen geht es vordergründig um die drei Theaterstandorte Halle, Dessau-Roßlau und Lutherstadt Eisleben. Im Fokus standen die Kürzungen aber auch deshalb, weil sich die Betroffenen, und zwar nicht nur die Beschäftigten, sondern auch die Bürgerinnen und Bürger der jeweiligen Region, massiv dagegen gewehrt haben. Rückblickend muss man sich fragen: Was haben sie nicht alles getan? Sie haben protestiert. Sie haben demonstriert. Sie haben Briefe geschrieben. Sie haben Petitionen verfasst. Sie sind sogar von Halle nach Magdeburg gelaufen und haben auf dem Gelände des Kultusministeriums gecampt. Sie haben in Dessau das Theater angepflockt und besetzen zurzeit das Theater in Halle. Und sie haben eine erfolgreiche Volksinitiative „Kulturland Sachsen-Anhalt retten!“ mit 40 000 Unterschriften initiiert.

Was sollen die Leute noch tun? Was soll man noch tun, damit man in diesem Land von der Politik ernst genommen wird? Was soll man noch tun, damit man sich hier mit den Argumenten des anderen auseinandersetzt und zumindest ansatzweise die Argumente und Auffassungen des anderen in das eigene politische Agieren übernimmt und sich eben nicht resistent zeigt, wie es die Koalition hier in Sachsen-Anhalt tut?

Herr Miesterfeldt, wenn wir beide miteinander das eine oder andere Mal im privaten oder persönlichen Bereich über Demokratie, über die Ereignisse im Jahr 1989 und Ähnliches geredet haben, haben Sie immer zu mir gesagt - das habe ich mir gemerkt, weil es mich überzeugt und weil ich eine ähnliche Auffassung vertrete -, dass es in einer Demokratie wichtig ist, sich mit den Argumenten des Gegenübers auseinanderzusetzen und das eigene Tun und Handeln stets selbstkritisch zu hinterfragen. Das sind die wichtigen Grundwerte einer funktionierenden Demokratie.

Ich frage Sie: Warum macht die Koalition im Land exakt das Gegenteil? Denn hinsichtlich der Kürzungen hat sich die Koalition nicht einen Millimeter bewegt. Das macht die Menschen im Land zu Recht wütend und lässt sie den Glauben daran verlieren, dass sich Engagement in diesem Land überhaupt lohnt. Mit dieser Politik der Ignoranz jagen Sie die Menschen aus dem Land. Auch deshalb muss dieses politische Agieren gestoppt werden.

Nun hat Herr Schröder, der Fraktionsvorsitzende der CDU, heute einen Satz gesagt, für den er sich heute hier noch einmal gerechtfertigt hat, nämlich den Satz mit dem kranken System, in das man nicht investieren dürfe. Ich möchte die Debatte an dieser Stelle nicht weiter ausdehnen. Ich möchte aber diese Grundthese des kranken Systems als Ausgangspunkt der Argumentation nehmen. Nun stelle ich mir vor, dieses System ist tatsächlich krank. Wenn es denn krank ist, dann muss ich mir die Frage stellen: Wie bekomme es wieder gesund? Bekomme ich ein System, das Sie wegen chronischer Unterfinanzierung als krank bezeichnen, mit weniger Geld gesund? Bekomme ich es gesund, indem ich die Unterfinanzierung noch vergrößere, indem ich noch mehr Mittel streiche? Das ist doch absurd. Das hat doch mit Logik nichts zu tun. Das erinnert mich an die Zeit des Mittelalters, in der die Menschen geglaubt haben, man müsse Kranke nur ordentlich ausbluten lassen, und je mehr Blut sie verlieren, desto gesünder werden sie, wenn sie im Anschluss daran eine anständige Hühnerbrühe verabreicht bekommen. Diese Methode hier anwenden zu wollen, kann doch nicht Ihr Ernst sein.

Die Strukturanpassungen sollen laut CDU zu mehr Effizienz und mehr Qualität führen. Diesen Satz habe ich mir aufgeschrieben. Man könnte auch anders sagen: Erst hacke ich einem Menschen das Bein ab und behaupte dann, morgen soll er dafür besser tanzen. Das ist Ihre Logik. Das ist die Politik, die Sie hier anwenden. Das hat mit Logik nichts zu tun. Es ist absurd, wenn die Kürzungen so beschlossen werden und man sich gleichzeitig eine höhere Qualität im künstlerischen Bereich
davon verspricht.

Wir hatten heute eine Ausschusssitzung, in der die Träger der Kultureinrichtungen in Dessau und in Halle noch einmal zu Wort gekommen sind und sich klar und deutlich für ein Moratorium im Theater- und Orchesterbereich ausgesprochen haben. Frau Nußbeck aus Dessau war sehr deutlich. Sie hat gesagt: Wenn sich das Land nicht zu 50 % an dem Theater in Dessau-Roßlau weiter beteiligt, droht die Abwicklung des Theaters. Die Kosten dafür belaufen sich auf 28 Mio. Euro. Herr Wiegand äußerte sich ähnlich deutlich. Er hat gesagt: Wenn die Kürzungen für das Jahr 2014 bestehen bleiben, bedeutet das die Insolvenz für die Theater, Oper und Orchester GmbH Halle.

Wir müssen uns hier die Fragen stellen: Wollen wir das? Oder wollen wir das verhindern?

Das sind die Fakten, an die wir uns halten müssen. Diese Fakten wurden uns heute im Ausschuss noch einmal verdeutlicht. Apropos Fakten. Der Minister hat heute hier stolz verkündet, dass mehrere Einrichtungen und mehrere Träger die Theaterverträge im Entwurf erhalten haben. Er hat nur vergessen, Details zu nennen.
Ein Beispiel. Die Stadt Halberstadt hatte tatsächlich heute früh einen Entwurf für einen Theatervertrag in der Post. Raten Sie einmal, was in dem Anschreiben dazu stand, bis wann der Vertrag unterschrieben zurückgesendet werden soll. Raten Sie auch einmal, ob darin ein neuer Passus steht oder nicht? In dem Entwurf des Theatervertrages ist ein Passus verankert - ich habe es erst nicht geglaubt, aber es stimmt -, in dem steht, dass künftig die Intendantenbesetzung im Einvernehmen mit dem Kultusminister vorzunehmen ist. Wo leben wir eigentlich? Wer ist hier Koch und wer Kellner? Wer ist das Parlament? Das frage ich mich an dieser Stelle.

Noch eines an dieser Stelle: Wir haben es im Ausschuss schon das eine oder andere Mal erlebt, dass der Minister dachte, er wäre ein Abgeordneter oder hier und da vielleicht sogar Ausschussvorsitzender. Aber dass er jetzt auch noch die Träger entmündigen will, das schlägt für mich dem Fass den Boden aus. Diese Politik muss von uns gestoppt werden. Wir sind das Parlament und nicht Dorgerlohs willige Helfer.

Es geht insgesamt um viel. Es geht vor allen Dingen um die Zukunft der Theater tragenden Städte. Wie die Mitteldeutsche Zeitung heute richtig schrieb, werden wir zu unserem Änderungsantrag, der die Beibehaltung des Status quo vorsieht, eine namentliche Abstimmung beantragen und durchführen. Es ist auch so, wie es die Mitteldeutsche Zeitung - sozusagen als Begründung - zutreffend schrieb: Die Menschen in den Regionen haben ein Recht darauf zu erfahren, mit wem sie es hier zu tun haben.