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Monika Hohmann zu TOP 16: Situation unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge verbessern

„Jeder junge Mensch hat ein Recht auf Förderung seiner Entwicklung und auf Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit.“ Dieser in § 1 des Kinder- und Jugendhilfegesetzes verankerte Grundsatz muss auch uneingeschränkt für Flüchtlingskinder gelten, unabhängig davon, ob sie in Begleitung der Eltern, anderer Personen oder unbegleitet in unser Land eingereist sind. Immer mehr Minderjährige sind ohne Eltern auf der Flucht. Allein in Deutschland waren es im vorigen Jahr 4399 Kinder und Jugendliche, die hier Zuflucht suchten. In Sachsen-Anhalt hat sich deren Anzahl von 2013 bis 2014  auf 106 Personen mehr als verdoppelt. Laut Informationen aus dem Landesjugendhilfeausschuss und der Antwort auf die Kleine Anfrage meiner Kollegin Henriette Quade ist von weiteren Steigerungen bei den UMF-Fallzahlen auszugehen. (UMF: unbegleitete minderjähriger Flüchtlinge)

Warum erhöhen sich die Zahlen so stark? Einige kinderspezifische Fluchtgründe sind  z.B. die Rekrutierung in den Armeedienst, die so genannten Kindersoldaten, aber auch die Zwangsverheiratung oder eine geschlechtsspezifische Verfolgung, Flucht vor sexueller Gewalt (z.B. sex. Missbrauch in Polizeidienststellen; Geschlechtsverstümmelung) und vieles mehr. Auf den Internetseiten vom Bundesfachverband UmF e.V. und Refugium e.V. sind weitere Gründe nachzulesen, weshalb Kinder und Jugendliche aus ihren Heimatländern flüchten.

Auf Initiative des Bundesrates plant die Bundesregierung ein Gesetz zur Verbesserung der Unterbringung, Versorgung und Betreuung ausländischer Kinder und Jugendlicher. Die auf Bundesebene angedachte Neuregelung der Verteilung unbegleiteter Minderjähriger Flüchtlinge wird die Herausforderungen auch für die Kommunen in Sachsen-Anhalt noch erhöhen. Bereits im Anhörungsverfahren zum Gesetzentwurf gab es viele Stellungnahmen von Verbänden und Vereinen. Da war die Rede von: Aufnahmekonzepte erarbeiten und Gelder verteilen, statt Kinder umherschieben! Oder auch die Forderung  nach dem Aufbau von kompetenten Strukturen vor Ort. Ebenfalls hat sich die Kinderkommission des Bundestages mit einem eigenen Positionspapier eingebracht. Unter der Überschrift:
Bei allen die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge betreffenden Entscheidungen muss in jedem Falle das Kindeswohl („the best interests of the child“) als Maßstab dienen, stellte die Kommission 13 Forderungen auf. Einige davon sind auch in unserem Antrag zu finden.

Ebenfalls ausschlaggebend für unseren Antrag waren die vielen Gespräche, die wir vor Ort mit Verantwortlichen in Einrichtungen und Institutionen führten. Dabei wurde sehr deutlich, wo in unserem Land noch der „Schuh drückt“. Diese Informationen fanden ebenfalls Einklang in unserem Antrag. An dieser Stelle möchte ich, auch im Namen meiner Fraktion, den GesprächspartnerInnen noch einmal Dank sagen, auch für die offenen und kritischen Worte.

Nun zum Antrag selbst. Einen Schwerpunkt bildet der Dialog mit den verantwortlichen Landkreisen. Wir sind der Auffassung, dass eine gelingende Aufnahme von UMF die Schaffung von Netzwerken voraussetzt. Gute Erfahrungen haben gezeigt, dass die Kooperation verschiedener  Akteure, ein vor Ort passendes Aufnahmekonzept und erfolgreiche Strukturen für die Kinder und Jugendlichen von großer Bedeutung sind. Die Jugendhilfe erhält in diesem Netzwerk die Aufgabe der Koordinierung. Daher zielen wir darauf ab, dass beim Umgang mit den UMF stets das Kindeswohl Vorrang hat und die Unterbringung in Einrichtungen erfolgt, die in Kommunen mit guter öffentlicher Infrastruktur und bedarfsgerechten medizinischen, sozialen sowie therapeutischen Angeboten gelegen sind.
Eine weitere unbefriedigende Situation ist die Handhabung des Altersfeststellungsverfahrens. Auch hier gibt es viele unterschiedliche Prozeduren in den Bundesländern. Besonders kritisch ist dabei die Altersfeststellung über das Röntgen der Handknochen. Hier herrscht eine Schwankungsbreite von bis zu drei Jahren.
Bei uns im Land ist das Jugendamt Harz für die Altersfeststellung zuständig. Diese erfolgt über eine Inaugenscheinnahme. Bei der Entscheidung wäre es vorteilhaft, die Expertise einer zweiten fachlich erfahrenen Person hinzuziehen zu können. Dieser Vorschlag stammt nicht von uns, sondern ebenfalls von Fachkräften, die langjährige Erfahrung in diesem Bereich haben und sich für das Vier-Augen-Prinzip aussprechen. Das Vier-Augen-Prinzip ermöglicht natürlich keine 100prozentige Sicherheit, ist aber zu der derzeitigen Praxis ein Gewinn.

Eine weitere Forderung unseres Antrages bezieht sich auf das Erlernen der deutschen Sprache. Hier sprechen wir uns dafür aus, dass bereits vor dem Beginn der Schulpflicht Maßnahmen zu organisieren sind, die Deutsch als Fremdsprache als verlässliches Angebot für minderjährige Flüchtlinge ermöglicht. Dazu gab es ja gestern den Antrag der Fraktion Bündnis90/ Die Grünen.

Bereits im Dezember wurde im Landesjugendhilfeausschuss bei der Gesprächsrunde zur Situation UMF sowohl von den Mitarbeiterinnen der Clearingstelle in Magdeburg als auch von dem Vertreter von Refugium e.V. die Schaffung einer zweiten Clearingstelle angeregt. Auch die Landesregierung hat mehrfach die Notwendigkeit einer zweiten Clearingstelle in Sachsen-Anhalt betont. Diesen Vorschlag halten auch wir für zielführend und haben ihn in unserem Antrag aufgenommen. Als geeigneten Ort empfehlen wir die Stadt Halle, da dort bereits schon gute Netzwerke vorhanden sind.

Nun noch einige Anmerkungen zum Änderungsantrag der Fraktion Bündnis90/ Die Grünen. Die Schaffung lokaler Kompetenzzentren können wir mittragen. In vielen Stellungnahmen zum Gesetzentwurf der Bundesregierung wurde diese Forderung als eine geeignete Maßnahme für die gelingende Integration UMF von Verbänden favorisiert. Ebenfalls unterstützen wir die Erstellung von Informationsmaterial für minderjährige unbegleitete Flüchtlinge in altersangemessener Sprache und in Übersetzung in mehrere Sprachen.

Für eine zügige Umsetzung unserer Forderungen im Interesse der UMF, schlage ich Ihnen vor, unseren Antrag direkt abstimmen zu lassen. Eine Überweisung in die entsprechenden Ausschüsse würde nur eine Zeitverzögerung zur Folge haben. Sollten sich CDU und SPD jedoch einer Direktabstimmung verweigern, tragen wir eine Ausschussüberweisung natürlich mit.