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Monika Hohmann zu TOP 15: Stand der Förderung von Familien, der Sicherung einer nachhaltigen Bevölkerungspolitik sowie der Förderung des Wiedereinstiegs in den Beruf

Am 10. November 2005 verabschiedete der Landtag das Gesetz zur Förderung von Familien, Sicherung einer nachhaltigen Bevölkerungspolitik sowie Förderung des Wiedereinstiegs in den Beruf (Familienfördergesetz Sachsen-Anhalt - FamFöG-LSA).
Gestatten Sie mir zu Beginn meiner Rede einen kurzen Blick in das Jahr 2005 zu werfen. Damals regierten CDU und FDP. Beide Fraktionen betonten gleichermaßen, wie wertvoll und wichtig dieses Gesetz sei. Erlauben Sie mir einige Zitate von damals.  

Herr Kley, damaliger Sozialminister: „Wir in Sachsen-Anhalt können stolz darauf sein, dass wir nach dem Kinderförderungsgesetz auch bei Familien den Standard setzen. Das sollen uns andere erst einmal nachmachen. Wir sind früher aufgestanden.“

Herr Jantos, CDU: „Unabhängig davon ist es uns aber wichtig, die bewusstseinsverändernde Wirkung, welche mit diesem Gesetz verbunden ist, hervorzuheben. Deshalb will ich das Familienförderungsgesetz als Einstiegsgesetz betrachten.“

Herr Bischoff, damals Abgeordneter: „Die Gesetze können wir immer ändern.“ Und weiter: „Die stehen alle unter dem Haushaltsvorbehalt. Was dort stattfindet, kann nur stattfinden, wenn Sie es auch im Haushalt beschließen. Also ist es nicht sicherer als vorher.“

Die Abgeordnete Frau Bull sagte damals: „Was Ihnen jetzt vorliegt, meine Damen und Herren - dabei werden wir ohne Streit nicht auskommen; das ist nun mal so -, ist ein Familienfördergesetz, das sich vor allem dadurch auszeichnet, dass gähnende Leere herrscht.“

Soviel zum Exkurs in die Vergangenheit.

Nach nunmehr fast 10 Jahren wollten wir mit unserer Großen Anfrage einmal genauer hinschauen, was aus dem damals so viel gelobten Gesetz geworden ist.  
Insgesamt, das kann ich jetzt schon sagen, wird unser Fazit nicht besonders positiv ausfallen.

Lassen Sie mich einige Schwerpunkte herausgreifen, die mir wichtig erscheinen.
Zum einen wäre da die zentrale Frage, ob das Gesetz seinen Zweck, wie in § 1 nachzulesen, überhaupt erreicht hat. Man muss also fragen: Welchen Beitrag hat das Familienförderungsgesetz dazu geleistet, die Abwanderung von jungen Menschen und Familien zu vermeiden und deren Zuzug nach Sachsen-Anhalt zu bewirken? Die Antwort fällt ernüchternd aus: Keinen messbaren.

Seit Inkrafttreten des Gesetzes übersteigt die Anzahl der Fortzüge die Anzahl der Zuzüge der Menschen im Alter bis 35 Jahren – also derjenigen Menschen, die sich im besten Familiengründungsalter befinden. Das Wanderungssaldo schrumpft zwar über die Jahre, aber der negative Trend ist deutlich erkennbar. Ich denke, man sollte also vorsichtig sein, solche Ziele in Gesetze zu formulieren.

Schon damals hat meine Fraktion kritisiert, dass das Gesetz eine ganze Reihe an deklaratorischen Regelungen und Doppelnennungen enthält, die im Grunde Nullnummern sind, weil sie keinerlei wirklichen Regelungscharakter besitzen. Zu nennen wäre da z.B. der § 2, der ein reiner Querverweis auf das Kinderförderungsgesetz ist, und den man sich deshalb hätte sparen können. Oder aber auch die Aussage der Landesregierung, dass mit dem § 10 die finanziellen Grundlagen der Stiftung „Familie in Not“ gesichert würden. Dies ist ebenso unzutreffend wie unnötig: Erstens existiert die Stiftung seit 2001, zweitens wurde das FamFöG 2005 verabschiedet, drittens steht das gesamte Gesetz gemäß § 1 Absatz 3 unter Haushaltsvorbehalt und viertens kann man jederzeit Gesetze ändern. Die Reihe dieser im Grunde überflüssigen Regelungen ließe sich fortsetzen.

Zum  § 3 „Familienfreundlichkeitsprüfung“ erhielten wir jede Menge Tabellen darüber, was in den einzelnen Ressorts alles geprüft wurde. Dies ist sehr löblich, aber eine zentrale Statistik darüber lag nicht vor, obwohl diese am 09.06.2009 vom Kabinett beschlossen wurde. Durch das damalige Ministerium für Gesundheit und Soziales sollten einmal  jährlich die statistischen Auswertungen zur Familienfreundlichkeit erfolgen. Am 20.12.2011 wurde dieser Beschluss aufgehoben. Somit bleiben logische Schlussfolgerungen aus.

Der Wettbewerb „Familienfreundliche Kommune“ und die Auditierungen zur Familienfreundlichkeit sollten  Anreize für Kommunen und Unternehmen schaffen, ein familienfreundliches Umfeld  herzustellen. Was ist daraus geworden?

Währen der letzten 9 Jahre gelang die Auditierung im Bereich der Familienfreundlichkeit bei 45 Unternehmen, Institutionen und Hochschulen. Das Audit erreichte damit über 30.000 Personen. Eine positive Bilanz. Für uns stellt sich jedoch die Frage, warum sich nur das Ministerium für Arbeit und Soziales auditieren ließ. Familienpolitik ist unserer Ansicht nach Querschnittsthema und gehört in allen Landesverwaltungen auf die Agenda. Hier könnten die Ministerien mit gutem Beispiel vorangehen.

Weniger erfolgreich lief der Wettbewerb um die familienfreundlichste Kommune.
Das Land Sachsen-Anhalt hat den Wettbewerb „Kinder- und familienfreundliche
Kommune“ in den Jahren 2006 und 2009 durchgeführt. Einen dritten Wettbewerb gab es dann nicht mehr, da nach Aussagen der Landesregierung Aufwand und Nutzen in keinem ausgewogenen Verhältnis mehr standen. Im Haushaltsbegleitgesetz wurde der § 4 Abs. 2 im Februar 2012 aufgehoben.

Seit Inkrafttreten des Gesetzes wurde der Familienratgeber in einer Stückzahl von 68.020 Exemplaren ausgegeben. 2013 und 2014 erschien er nicht mehr. Voraussichtlich wird es eine aktualisierte Auflage im 3. Quartal 2015 geben. Gute Werbung und Öffentlichkeitsarbeit sehen meiner Meinung nach anders aus.
Auch die Einrichtung zentraler Stellen in den Landkreisen, kreisfreien Städten, Gemeinden, Städten und Verbandsgemeinden zur Informationen für Familien hat sich als ungenügend herausgestellt. Von 14 Landkreisen und kreisfreien Städten verfügen 4 über eine entsprechende Auskunftsstelle. Demzufolge kann auch die Zahl der Auskunftsbegehren in den Bereichen gemäß § 5 Abs. 2 Nr.1-4 FamFöG nur unzureichend ermittelt werden. Gerade einmal zwei Landkreise konnten Auskunft geben. Diese enttäuschende Situation ist dem Regelungscharakter der Vorschrift geschuldet: Es handelt sich hier um eine Kann-Vorschrift.

Positiv hervorzuheben ist die Vergabe finanzieller Hilfen zur Bildung selbstgenutzten Wohneigentums. Insgesamt sind in der Zeit von 2005 bis 2014 Zuschüsse und Darlehen in Höhe von insgesamt ca. 92 Millionen Euro vergeben worden. Dies ist eine beträchtliche Summe und das würdigen wir ausdrücklich.

Anders sieht es wiederum bei der kommunalen Wohneigentumsförderungen nach § 7 aus. Diese bieten nur Wernigerode, Burg und bis zum letzten Jahr auch Eilsleben an. Ansonsten verfügt keine weitere Kommune über entsprechende Förderprogramme. Und raten sie mal weshalb? Es handelt sich um eine Kann-Regelung.

Erstaunt waren wir über die Antworten auf unsere Fragen 19 und 20. Es existiert  weder eine praxisorientierte Handreichung noch ein Beratungsdienst des Landes für die Gestaltung eines familienfreundlichen Lebensumfeldes in den Kommunen. Im Gesetz ist beides gefordert, eine Umsetzung erfolgte nicht. Entweder die Landesregierung holt diese Versäumnisse nach, oder setzt sich dafür ein, den kompletten 2. Absatz des § 6 zu streichen.

Enttäuschend sind auch die Antworten in Bezug auf den Familienpass des Landes. Schauen wir uns die Zahlen der Landesregierung an. Waren es im Jahr 2006 noch 2000 Familienpässe so sind es derzeit im Jahr 2014 noch 376 Anträge. Damals wie auch heute sind wir der Auffassung, dass es besser ist, Familienpässe auf regionaler und kommunaler Ebene zu fördern. Viele Landkreise machen davon auch Gebrauch.

Zum  Abschnitt Förderung von Familienbildungsangeboten, Familienerholung mit Bildungsangeboten sowie von Familienberatungsstellen werde ich mich kurz fassen. Auch hier handelt es sich lediglich um Nennungen bereits vor Verabschiedung des FamFöG existierender Förderprogramme, die letztlich auch unter Haushaltsvorbehalt stehen.
§ 15 Absatz 2 sieht die Förderung von Familienangeboten an Kindertagesstätten vor. Leider fand nach Aussage der Landesregierung nur in den Jahren 2009 und 2010 ein Projekt „Sprachförderung von Familien mit Migrationshintergrund in Kinder- Eltern- Zentren“ statt. Das ist viel zu wenig.

Zum Schluss möchte ich noch etwas zu der Übertragung von Aufgaben nach dem Unterhaltsvorschussgesetz sagen. Auch die Neuregelung im § 19 des Gesetzes hat gezeigt, dass seitens der Kommunen kaum zusätzliche Mittel für Familienprojekte übrig blieben. Somit hat sich das positive Anliegen ebenfalls nicht erfüllt. Die Landesregierung hat mit dem Haushaltsbegleitgesetz 2012 die Regelungen im § 19 Abs.1 rückgängig gemacht.

Zusammenfassend können wir also einschätzen, dass mit dem  Familienförderungsgesetz kaum weitere Akzente für mehr Familienfreundlichkeit gesetzt wurden. Es sollte 2005 einen ersten Aufschlag mit dem Gesetz als Einstiegsgesetz geben. Kontinuierliche Fortschreibung und bewusstseinsverändernde Wirkung waren damals angekündigt. Was ist daraus geworden? Es wurde nicht kontinuierlich fortgeschrieben – daran ändert auch die letzte Novelle über das Beratungsstellengesetz nicht, zumal diese Änderungen nun auch noch gesetzlich unter Haushaltsvorbehalt stehen. Noch haben sich bewusstseinsverändernde Wirkungen - was auch immer das heißen mag - eingestellt.
Was wir aber konstatieren können, sind die trotz des Gesetzes in den letzten Jahren unternommenen Kürzungen bzw. Kürzungsversuche in genau den Bereichen, auf die sich das Gesetz mehrheitlich bezieht.

Aus unserer Sicht gehört das FamFöG entrümpelt. Es enthält zu viel unnützen Ballast und zu wenige verbindliche Regelungen. Familienpolitische Maßnahmen, so hat es die Studie „Zukunftschancen junger Frauen und Familien in Sachsen – Anhalt“ gezeigt, sind nur wirkungsvoll, wenn sie sich auf das konkrete sozialräumliche Umfeld beziehen, auf das Wohnumfeld und auf das Arbeitsumfeld der Menschen.

Beenden möchte ich meine Rede mit einem Zitat von Friedrich Nietzsche: „Viele sind hartnäckig in Bezug auf den einmal eingeschlagenen Weg, wenige in Bezug auf das Ziel“.