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Monika Hohmann zu TOP 05: Kostenentwicklung von Kindertageseinrichtungen und Kindertagespflege

Lassen Sie mich meine Rede mit einem Zitat von Herrn Gauselmann aus der Mitteldeutschen Zeitung vom 21.03. beginnen: „Es ist Sozialpolitik nach Kassenlage: Da steht erst die Summe, dann folgt das Konzept – was nicht passt, wird da passend gemacht“.

So sollte man ausdrücklich nicht vorgehen. Wir als LINKE sagen aber auch: Es ist wichtig, die finanziellen Auswirkungen von Gesetzen stets genau im Blick zu behalten. Aber, grundsätzlich sollten zuerst die Inhalte diskutiert werden. Anschließend ist zu prüfen, welchen Kostenumfang diese haben und in welchem Rahmen sie umsetzbar sein werden. Stattdessen erleben wir mit dieser Debatte hier die genau umgekehrte Situation: Wir reden heute über das Geld, obwohl die Kinderbetreuungsgesetze, die demnächst in den Landtag eingebracht werden sollen, noch gar nicht offiziell vorliegen.

Nun gut – nun zur Großen Anfrage selbst. Im Grunde lagen ja zwei Antworten der Landesregierung auf die Große Anfrage vor: Eine erste Variante, die erhebliche Kostenaufwüchse darstellte, weil sie, wie sich später zeigte, einen Rechenfehler enthalten hatte. Die Landesregierung hatte den Krippenschlüssel von 1:6 auch für den Kindergarten gerechnet. Klar, dass dann die Kosten explodieren. Die Zahlen kamen uns so merkwürdig vor, dass wir zum damaligen Zeitpunkt eine Kleine Anfrage hinterhergeschoben haben, die noch auf ihre Beantwortung wartet. Ich möchte an dieser Stelle sagen, dass ich großes Verständnis dafür habe, dass auch mal ein Rechenfehler unterlaufen kann. Das kann jedem passieren, auch einer Landesregierung. Herr Minister Bischoff hat diesen ja auch offiziell eingeräumt.

Mit der zweiten Antwort befassen wir uns also heute. Diese kann man grob in drei Komplexe unterteilen: Einen ersten, der nach der Kostenentwicklung der letzten Jahre fragt. Einen zweiten, der unter den Annahmen veränderter Betreuungsschlüssel und Betreuungszeiten Hochrechnungen anstellt. Und einen dritten Komplex, der sich im Grunde mit den Fragen rund um die Studie der MLU zur Erhebung der Platzkosten in der Kinderbetreuung beschäftigt. Diesem dritten Komplex, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, werde ich mich in meiner Rede nicht ausführlich widmen, da uns allen die Schwächen der Studie mittlerweile ausreichend bekannt sein dürften. Wir brauchen die Debatte vom August letzten Jahres an dieser Stelle nicht wiederholen, ich möchte nur anmerken, dass auch DIE LINKE weiterhin ein Interesse daran hat, die tatsächlichen Platzkosten irgendwann zu erfassen – auch wenn dies nur mittels einer Vollumfrage realisierbar sein sollte.

Der erste Antwortkomplex zeigt, wie schwierig sich dieses Unterfangen darstellt, welche statistischen Probleme und welche Schwierigkeiten hinsichtlich einer Erhebung der Gesamt- und der Platzkosten existieren. Man kann sich diesem Problem jedoch ein Stück weit nähern, wenn man versucht, die Gesamtrechnung aufzumachen. Unsere eigenen Berechnungen haben ergeben, dass von allen an der Finanzierungsgemeinschaft Beteiligten derzeit ein finanzielles Gesamtvolumen von annähernd 690 Millionen Euro für die Kinderbetreuung aufgebracht wird (Personal- und Sachkosten). Schaut man nun in die Kita-Statistik des Landes, sieht man, dass im Jahr 2011 130.627 Plätze in den Kindertageseinrichtungen des Landes belegt gewesen waren. Dies ergibt im Durchschnitt 5.282, 22 Euro pro Platz im Jahr. Solche Durchschnittswerte sind zwar gut und schön, jedoch spiegeln sie nur bedingt die Realität wieder – das zumindest hat die MLU-Studie gezeigt. Wir werden wohl im Rahmen der anstehenden Gesetzesberatungen nicht um eine Konkretisierung des § 15 KiFöG umhin kommen.

Die Beantwortung der Fragen 5 und 7 macht im Grunde den Kern der gesamten Antwort aus. Zunächst ist schön zu sehen, dass die Kosten für die Wiedereinführung des Ganztagsanspruches im Vergleich zu den Kosten für eine Verbesserung der Betreuungsschlüssel relativ moderat ausfallen. Das zeigt, dass alle Veränderungen im Personalbestand selbst – ohne Bezug auf den Betreuungsumfang betrachtet – zu einer im Vergleich immensen Kostensteigerung führen. Dies trifft im Übrigen auch auf die geplante Verbesserung der Vor- und Nachbereitungszeiten zu. Oder anders ausgedrückt: Der Ganztagsanspruch für alle Kinder ist im Vergleich – ich betone – relativ preiswert zu haben.

Beim Lesen der Antwort auf Frage 7, liebe Kolleginnen und Kollegen, musste ich, ehrlich gesagt, ein wenig schmunzeln. Die dort genannten Betreuungsumfänge gehen nämlich meilenweit an der Wirklichkeit vorbei und führen rechnerisch dann zu entsprechend höheren Kosten, die in der Realität nie erreicht werden würden. Es wird unterstellt, dass alle Kinder, die vorher eine geringere Betreuungszeit hatten, jeweils exakt 6,7,8,9 und 10 Stunden in die Kita gehen. Das ist absolut unrealistisch. Und das das so ist, weiß die Landesregierung auch sehr genau. Denn wenn Sie Ihren KiFöG-Entwurf mit diesen hier genannten durchschnittlichen Betreuungsdauern gerechnet hätten, hätten Sie den Kostenrahmen von 53 Millionen Euro – sagen wir es vorsichtig – ein kleines bisschen überzogen.

Die durchschnittlichen täglichen Betreuungsdauern sind eine immens wichtige Stellschraube, wenn es um die Kostenrechnung im Rahmen der Kinderbetreuung geht. Gestatten Sie mir deshalb an dieser Stelle noch eine weitere Anmerkung zu den Berechnungsgrundlagen des Sozialministeriums für das neue KiFöG, die neben dem Referentenentwurf im letzten Fachexpertengespräch am 15.03. verteilt wurden. Sie gehen in Ihren Berechnungen davon aus, dass unter den Bedingungen einer stufenweisen Einführung des Ganztagsanspruches die durchschnittliche tägliche Betreuungsdauer in der Krippe von derzeit 7,8 Stunden auf 8 Stunden steigt, und im Kindergarten von derzeit 7,85 Stunden ebenfalls auf 8 Stunden.

Die Kostenrechnung der Landesregierung basiert also auf der Annahme, dass der Ganztagsanspruch zu einer Erhöhung der durchschnittlichen täglichen Betreuungsdauer um insgesamt 0,35 Stunden – oder 21 Minuten – führen wird. DIE LINKE ist sehr skeptisch, ob diese Annahme zuverlässig ist. Vor allem, wenn man bedenkt, dass 2003 die tägliche Betreuungszeit in der Krippe durchschnittlich 8,14 Stunden betrug und im Kindergarten etwas über diesem Wert gelegen hatte.
Wie bereits angekündigt, werden wir den Referentenentwurf der Landesregierung um eigene politische Inhalte ergänzen und in den Landtag als Gesetzentwurf einbringen. Dann werden wir Zeit haben, diese und andere Fragen in Ruhe in den Ausschüssen zu bereden.

Zurück zur Großen Anfrage. Zusammenfassend kann ich aus Sicht der LINKEN sagen: Ja, die Antwort wirft ein interessantes Schlaglicht auf die erwartbaren Kosten – nicht mehr und nicht weniger. Jedoch – die Frage 7 habe ich angesprochen – sollten die Zahlen nicht vorbehaltlos hingenommen werden. Sie bedürfen einer Auseinandersetzung und einer kritischen Überprüfung. Vor allem sollte nicht der Fehler gemacht werden, liebe Kolleginnen und Kollegen, die Zahlen der Antworten auf die Fragen 5 und 7 einfach zu einer Gesamtkostensumme nach dem Motto, „mal schauen, wie teuer bessere Personalschlüssel und der Ganztagsanspruch zusammen sind“, zu addieren.
Dies wäre unseriös und würde zu verfälschten Resultaten führen, da Frage 5 den Zeitfaktor nicht beinhaltet und Frage 7 die Betreuungsschlüssel außen vor lässt. Was die Kosten anbelangt, stehen beide Größen aber in starker Wechselwirkung: Es ist eben teurer, mehr 8-Stunden-Kinder mit einem Personalschlüssel von z.B. 1:10 zu betreuen, als mehr 10-Stunden-Kinder einem Personalschlüssel von 1:12.

Sie sehen, wir haben jetzt Zahlen vorliegen, die es uns allen auch nicht unbedingt leichter machen. Deshalb abschließend noch einmal mein Wunsch, zuerst über die Inhalte zu streiten, die eine qualitativ gute Kinderbetreuung in Sachsen-Anhalt braucht, und dann über das notwendige Geld zu reden.