Diese Website verwendet Cookies. Warum wir Cookies einsetzen und wie Sie diese deaktivieren können, erfahren Sie unter Datenschutz.
Zum Hauptinhalt springen

Monika Hohmann zu TOP 03: Der Weg zum Abitur in Sachsen-Anhalt - Karriereverläufe der Schülerinnen und Schüler

Die Fragen, die die Kolleginnen und Kollegen von BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN in ihren Vorbemerkungen zur Großen Anfrage aufgreifen,  sind meiner Meinung nach legitime Fragen, wenn es um die Bewertung einer Schulform geht. Auch die Fraktion DIE LINKE hat zu dem Thema verschiedene parlamentarische Initiativen ergriffen, Kleine Anfragen gestellt und zahlreiche konstruktive Gespräche geführt, sowohl mit Schulpraktikerinnen und –praktikern, mit Schülerinnen und Schülern und mit Vertreterinnen und Vertretern von Schulbehörden. Die grundsätzlichen Befunde aus der Antwort der Landesregierung decken sich mit jenen, die wir auch aus den Antworten auf Kleine Anfragen und den Gesprächen abgeleitet haben. Die Antworten auf die Große Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN runden das Bild ab und schärfen es.

Auch die nur eingeschränkt verfügbaren Daten zeichnen ein Bild, das politische Einschätzungen durchaus erlaubt. Die Antworten auf die Fragen der GRÜNEN und auf Kleine Anfragen von uns verdeutlichen insgesamt: Es gibt viele Schülerinnen und Schüler, die das Gymnasium verlassen, ohne das Abitur erreicht zu haben,  die Zahl der Schülerinnen und Schüler, die das Gymnasium vor Erreichen der Abiturprüfung verlassen, übersteigt die Zahl derer, die nach dem fünften Schuljahrgang aus anderen Schulformen auf das Gymnasium wechseln, relativ viele wiederholen Klassenstufen.

Das alles sind zunächst Wertungen an der „statistischen Oberfläche“ der Schülerzahlen. Leider bleiben Bildungsqualität, inhaltliche Schwerpunkte, Leistungsniveau, soziale Differenzierung  aus dieser Perspektive außen vor, gehören aber für uns zur Gesamtbewertung der Schulform unbedingt dazu.

DIE LINKE sah sich in der jüngsten schulpolitischen Debatte mit dem Vorwurf konfrontiert, die Gymnasien abschaffen zu wollen. Unzweifelhaft hat sich „das Gymnasium“ in Deutschland gewandelt und die Entwicklungsprozesse dauern weiterhin an. Zwei Dinge möchte ich  hier nennen: Die Gymnasien sind mittlerweile von  „Elite“schulen zu Schulen mit einer in vielfacher Hinsicht heterogenen Schülerschaft geworden. Die Gymnasien verlieren weiter ihre exklusive Stellung bei der Vermittlung einer Hochschulzugangsberechtigung. Diese kann man mittlerweile auch an anderen Schulformen erlangen. Und auch jetzt ist es bereits möglich, auch ohne Hochschulzugangsberechtigung zu studieren.

Als Antwort auf diese Herausforderungen sehe ich zwei grundlegende Ansätze:

1. Man kann    den Versuch unternehmen, Exklusivität und Homogenität wiederzuerlangen und zu begründen.  Dafür stehen  die schulpolitischen Äußerungen der CDU in den letzten Tagen, den Zugang zum Gymnasium radikal zu beschränken und die Erfüllung harter Leistungskriterien am Ende der Grundschulzeit zu fordern. Das heißt übersetzt, wir nehmen weiterhin in Kauf, dass weniger Schülerinnen und Schüler zum Abitur geführt werden.

Oder 2. Man unternimmt den Versuch, dem breiten Wunsch nach höchster Allgemeinbildung gerecht zu werden.  In diesem Kontext gilt es pädagogische Formen und Schulkulturen zu entwickeln, die darauf gerichtet sind, der übergroßen Mehrheit der Schülerinnen und Schüler am Gymnasium einen erfolgreichen Schulabschluss an dieser Schule zu ermöglichen.

Die Zahlen in der Antwort der Landesregierung weisen darauf hin, dass die Integrationsfähigkeit der Gymnasien insgesamt in Sachsen-Anhalt  im Bundesvergleich nicht schlecht ist. Das ist für uns von grundsätzlicher Bedeutung, weil wir das Recht auf einen freien Zugang zu Bildung, auch zu hoher Allgemeinbildung, als eine fundamentale Voraussetzung für Freiheit, Demokratie, Emanzipation und ein erfülltes Leben sehen und eben nicht als ein zuzuteilendes Gut nach den vermeintlichen Bedürfnissen „der Wirtschaft“.

Wir wissen, dass die Lehrerinnen und Lehrer an den Gymnasien ihre Arbeit teilweise unter schwierigen Bedingungen leisten müssen, weil die Unterrichtsversorgung auch an diesen Schulen als Ergebnis verfehlter Personalpolitik mehrerer CDU-geführter Landesregierungen höchst problematisch ist. Und, liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU, deshalb war und ist es nicht die Position der LINKEN in Sachsen-Anhalt, Gymnasien „von oben“ auf administrativem Wege abzuschaffen. Es geht uns um Bildungsangebote auf einem hohen Niveau der Allgemeinbildung. Es geht darum, alle Kinder und Jugendlichen, die nach solcher Bildung an dieser Schulform streben, zu erreichen. Es geht um Inklusion im weiten Sinn des Wortes und differenzierte Förderung. Ja und auch Gymnasien müssen sich ändern! Eine konservative Wende zurück zu exklusiven Eliteschulen der fünfziger Jahre wird es mit uns nicht geben!

Die Antworten der Landesregierung zu den Fragen der Förderung an den Gymnasien sind enttäuschend. Einerseits bleiben sie an der Oberfläche, zeigen, dass der Untersuchung der Wirksamkeit zu wenig Aufmerksamkeit durch die Landesregierung geschenkt wird.
Auf der anderen Seite fühlt man sich beim Lesen der Antworten hin und wieder in ein Märchenland versetzt, dass es hier einfach nicht gibt. (Beispiel: „Für Einzelmaßnahmen werden zusätzliche finanzielle und personelle Ressourcen, wie z. B. pädagogische Mitarbeiter, Schulpsychologen, Schulsozialarbeiter, durch das Land bereitgestellt bzw. durch die Schulen einbezogen).

Die von der Landesregierung skizzierten Gründe für einen Abbruch der ersten gymnasialen Ausbildung bleiben arg an der Oberfläche. Wenn die dargestellten Schritte gegen einen Abbruch der gymnasialen Ausbildung wirklich alles ist, was das Land initiiert hat, so ist das recht mager. Ein Wahlpflichtkurs „Lernmethoden“, der bei zahlreichen Schulpraktikerinnen und -praktikern bisher recht umstritten war, kann doch bestenfalls eine Ergänzung, ein Hilfsmittel sein. Der Kern des Problems liegt im Lernprozess in den einzelnen Fächern, wie es hier gelingt, Interesse zu wecken, differenziert zu fördern, Stärken zum Tragen zu bringen und Schwachstellen schrittweise zu überwinden. Es gibt noch eine zu große Zahl von Schülerinnen und Schülern, die sich an ihrem Gymnasium allein gelassen fühlen, die, wie die Landesregierung schreibt, eben nur „beobachtet und begleitet“ werden.

Auch wir halten Kompetenzorientierung, bundesweite Vergleichbarkeit und verlässliche Unterrichtsorganisation für richtige und tragfähige Ansätze. Der Innovationsprozess muss aber besser und „schulnäher“ unterstützt und auch evaluiert werden.

Die Praxis der Jahrgangswiederholung, das sogenannte „Sitzenbleiben“ bleibt umstritten. Die hier genannten Maßnahmen, damit die Jahrgangswiederholungen nicht nur eine zweifelhafte „Ehrenrunde“ sind, sondern zielgerichtet und in den notwendigen Schwerpunkten gefördert werden, sind wenig überzeugend. Es sollte schon zu denken geben, wenn ca. 6.000 Schülerinnen und Schüler spezielle Kurse allein in der Sekundarstufe I im Schuljahr 2014/2015 zum „Defizitausgleich“ nutzen müssen. Hinzutreten noch tausende Stunden privater Nachhilfe.
Zusammenfassend kann eingeschätzt werden, dass dem Gymnasium als einer schülerstarken Schulform auch in Zukunft  größerer Aufmerksamkeit zu schenken sein wird.