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Henriette Quade zu TOP 17: Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung der Erhebung von telekommunikations- und telemedienrechtlichen Bestandsdaten Mit den Erwartungshaltungen, die sich erfüllen oder nicht erfüllen, ist das manchmal so eine Sache. Sie tra

Mit den Erwartungshaltungen, die sich erfüllen oder nicht erfüllen, ist das
manchmal so eine Sache. Sie tragen hier vor: Im Grunde ist das gar kein großer Aufreger, es geht um nichts, wir lassen uns nur das legitimieren, was wir in der Vergangenheit ohnehin getan haben bzw.  was woanders auch getan wird. Ich möchte Ihnen an dieser Stelle deutlich  sagen: Politik als Aushandlungsprozess von Interessenunterschieden kann sich so auch ad absurdum führen.

Wir beraten den vorliegenden Gesetzentwurf in einer Zeit des  allgemeinen Aufschreis und der Empörung - mit Ausnahme der CDU und ihrer Kanzlerin - über die Überwachung von Kommunikationsverbindungen aller Art durch zumindest die amerikanischen und britischen Geheimdienste. Wer wann wovon wusste, wie weit die Beteiligung anderer Geheimdienste reichte, lässt sich im Moment nicht klar sagen. Klar ist allerdings, dass über die Themen Datenerfassung und -speicherung, Überwachung von Kommunikation, Möglichkeiten und Grenzen des Datenschutzes und seine Notwendigkeit im Moment im politischen wie im gesellschaftlichen Raum intensiv diskutiert wird.
 
Nun könnte man mit einem sehr oberflächlichen Blick auf den Titel des Gesetzentwurfs und mit sehr viel gutem Willen meinen, die Landesregierung wäre besonders schnell und würde das aufgreifen und auf die aktuelle Situation reagieren.

Doch weit gefehlt: Das Gegenteil ist  der Fall. Denn die Landesregierung knüpft vielmehr an das bereits mit dem SOG eingeschlagene an, nämlich die Unschuldsvermutung als zentrales rechtsstaatliches Prinzip im Grunde zugunsten einer mehr oder weniger abstrakten Gefahrenabwehr auszuhebeln und damit über weite Teile unwirksam zu machen.  
 
Ja, fairerweise muss man zugeben, dass sie damit nicht allein steht. Natürlich ist es die Umsetzung bundesgesetzlicher Neuregelungen in das Landesrecht, die dank der Kolleginnen und Kollegen der SPD im Bundesrat eben nicht gestoppt wurde. Natürlich gibt es entsprechende Regelungen auch in anderen Bundesländern.

Hiermit werden nun auch in Sachsen-Anhalt die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass die Bestandsdatenabfrage erfolgen kann  und damit hoch sensible Daten wie Kommunikationsverbindungen, Standorte,  Datenmengen, Kommunikationszeiten, Internetprotokolle bis hin zu Speichermedienzugängen wie PINs und PUKs und damit Inhalten von Kommunikation dem Zugriff der Behörden preisgegeben werden.  
 
Das stellt einen massiven und unverhältnismäßigen Eingriff in die Privatsphäre und damit in einen grundgesetzlich geschützten Bereich dar, bevor irgendeine Straftat passiert ist. Meiner Fraktion würde allein das für die Ablehnung dieses Gesetzentwurfs genügen.  
 
Der Gesetzentwurf sieht aber auch eine  Kompetenzerweiterung für die Polizei und auch für den Verfassungsschutz des Landes vor. Nun haben Sie das mit dem Änderungsantrag ein Stück weit präzisiert, allerdings nur insoweit, als Ihnen offenkundig die verfassungsrechtliche  Unzulässigkeit des ursprünglichen Gesetzentwurfs deutlich wurde. Am Grundproblem, nämlich der Ausstattung des Geheimdienstes mit Instrumenten der Gefahrenabwehr, ändert das nichts.
 
Dieses Vorhaben zeigt auch, dass Sie aus dem nicht abreißenden Offenbarwerden des Versagens der Geheimdienste bei der Verhinderung der Mordserie eines Neonazi-Netzwerkes und bei seiner Aufklärung nicht die notwendigen substanziellen Konsequenzen ziehen, sondern lediglich oberflächliche Kosmetik und  Imagekampagnen betreiben.

Nun kann man sagen: Es ist nicht überraschend, dass Geheimdienste abhören. Das stimmt. Eine neue Qualität und vielmehr ei ne neue Problemebene ist es allerdings, wenn eine Landesregierung ernsthaft erwägt, eben jener Behörde, deren Versagen im Kernbereich der ihr zugewiesenen Aufgaben erwiesen und deren Unkontrollierbarkeit noch immer jeden Tag aufs Neue belegt wird, noch weiter gehende Kompetenzen und Befugnisse für massive Grundrechtseingriffe zu geben, die den Kernbereich der privaten Lebensführung betreffen und deren verfassungsrechtliche Zulässigkeit zweifelhaft ist.
 
Unkontrollierbarer staatlicher Schnüffelei werden damit Tür und Tor noch weiter geöffnet und es werden Bürgerrechte zur Disposition gestellt. Vor dem Hintergrund des Versagens der Sicherheitsbehörden und der daraus resultierenden Legitimationskrise sowie des aktuellen Überwachungsskandals durch eine noch nicht zu beziffernde Zahl von Geheimdienst en bleibt mit Blick auf den vorgelegten Gesetzentwurf zu sagen: Nichts gelernt!  
 
Statt der Ausweitung der Speicherung und der Erleichterung der Preisgabe von Daten wäre eine grundsätzliche Stärkung des Datenschutzes, die Infragestellung der Speicherung und Weitergabe von Daten, die Infragestellung von Kompetenzen von Sicherheitsbehörden und letztlich die Auflösung des Verfassungsschutzes angezeigt.
 
Ich möchte abschließend noch einen Blick  auf das Verfahren werfen. Das Gesetz sollte rückwirkend in Kraft treten. Das juristische Problem ist Ihnen offenbar und eingängig geworden. Das ist gut. Das damit verbundene Problem löst sich keineswegs. Es ist ein Problem, das wir  sehr oft an dieser Stelle haben: Die Zeitverzögerung bei der Einbringung von Gesetzentwürfen ist stets mit einem enormen Zeitdruck in der parlamentarischen  Beratung verbunden. Auch hierbei steht zu befürchten, dass dieser Gesetzentwurf den Landtag ohne eine Anhörung und ohne eine formelle und materielle Würdigung und Einschätzung durch den GBD passieren soll.
 
Das ist schlichtweg unseriös. Wir werden diesen Gesetzentwurf ablehnen. Wir werden auch seiner Überweisung in den Ausschuss nicht zustimmen, weil wir der Meinung sind, dass es richtig wäre, wenn aus Sachsen-Anhalt das Signal käme, dass diese Kompetenzen hier nicht geregelt werden.