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Henriette Quade zu TOP 11: Konsequenzen aus dem BGH-Urteil im Fall Oury Jalloh ziehen - Praxis polizeilicher Ingewahrsamnahme auf den Prüfstand stellen

Wie so oft bei der zweiten Beratung eines Antrages bzw. der Beschlussempfehlung gibt es eine erhebliche Differenz zwischen dem was der Antrag wollte und dem was mit der Beschlussempfehlung daraus gemacht wurde. Ich will deshalb noch einmal darüber sprechen, was die Zielstellung war und welche Analyse dem zu Grunde lag, denn daraus erklärt sich auch, warum meine Fraktion diese Beschlussempfehlung ablehnt.  

Über die verschiedenen Etappen der juristischen Aufarbeitungen des Todes Oury Jallohs und mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes abschließend mussten wir einiges zur Kenntnis nehmen, was fassungslos machte, was bestürzte und was Fragen aufwarf. Wir mussten und konnten  auch zur Kenntnis nehmen, dass eine gesamte Polizeiwache nicht wusste, dass für eine Ingewahrsamnahme ein richterlicher Beschluss einzuholen ist und das genau dieses vom Gesetzgeber - also uns- vorgesehene Verfahren, über Jahre keine gängige Praxis war.

Das war der Ausgangspunkt unseres Antrages, das brachte uns dazu zu sagen: Wenn die Exekutive maßgebliche Vorgaben der Legislative nicht kannte, kann das doch nicht einfach so stehen bleiben. Dann muss sich doch die Legislative fragen, welche Vorgaben vielleicht noch nicht erfüllt wurden oder werden. Über die Frage der richterlichen Entscheidung hinaus wäre unserer Ansicht nach also auch zu prüfen, inwieweit die Bestimmungen zur Dauer des Freiheitsentzugs, zur Mitteilung des Grundes für den Freiheitsentzug an die betroffene Person, der Möglichkeit der Benachrichtigung eines Angehörigen oder einer Person des Vertrauens und die weiteren Bestimmungen zum Schutz der Rechte der in Gewahrsam genommenen Personen auch praktisch umgesetzt werden.

Deshalb wollten wir, dass die Praxis der polizeilichen Ingewahrsamnahme insgesamt überprüft wird und geschaut wird, inwieweit die mit der Novelle der Gewahrsamnahmeordnung ja in der Tat getroffenen Maßnahmen praktisch greifen, ob es Neuregelungsbedarf gibt und wenn ja welchen.

Wir wollten außerdem, dass über den Umgang mit hilflosen Personen noch einmal grundlegend neu nachgedacht wird weil es wirklich viele Gründe dafür gibt zu sagen, dass eine hilflose Person grundsätzlich in einer medizinischen Einrichtung besser aufgehoben ist, als in polizeilichem Gewahrsam. Das wollten wir sehr gründlich im Ausschuss beraten, mit ihnen und mit den Expertinnen und Experten um genau zu schauen, wie sich die gegenwärtige Praxis darstellt, welche Probleme auftreten, welche Erfordernissen es aus medizinischer Sicht gibt, und welche aus polizeilicher und auch hier - inwieweit die Praxis den Vorgaben der Legislative entspricht.

Nicht zuletzt ging es uns um das politische Signal einer finanziellen Entschädigung für die Hinterbliebenen Oury Jallohs, das angesichts seines Todes in staatlicher Obhut, unabhängig von den gerichtlichen Entscheidungen dazu, schlichtweg notwendig wäre.

Meine Damen und Herren, Sie sahen das mehrheitlich anders, überwiesen unseren Antrag in den Innenausschuss und legten im Januar die Beschlussempfehlung vor, die heute hier zur Abstimmung steht. Sie konstatieren darin, dass sich die getroffenen Maßnahmen zur Sicherheit im polizeilichen Gewahrsam bewährt haben, ein Gericht zu Entschädigungsansprüchen entschieden habe und das der Landtag den Tod Oury Jallohs und das Ausbleiben einer abschließenden Aufklärung bedauert.
Im letzten Punkt sind wir ausdrücklich einig, meine Fraktion wird dieser Beschlussempfehlung aber nicht zustimmen, weil wir sagen, ob sich die Maßnahmen tatsächlich bewährt haben, lässt sich nur sicher sagen, wenn sie eben auch überprüft werden.

Die Beschlussempfehlung kommt inhaltlich einer Ablehnung unseres Antrages gleich, es wäre nachvollziehbarer gewesen, dies dann auch hier im Plenum in öffentlicher Debatte zu vollziehen, statt die eingespielte parlamentarische  Praxis der Annahme in geänderter Fassung fortzusetzen.

Auf der Homepage des Landtages war als Überschrift für die Zusammenfassung der Debatte zur ersten Beratung zu lesen: "Am Ende mahnen drei tote Menschen". Das trifft es sehr gut und in unseren Augen wird diese Beschlussempfehlung dem nicht im Geringsten gerecht. Dass sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, dem im Ausschuss zugestimmt haben, finde ich angesichts ihrer sonst so demonstrativ zur Schau getragenen aufklärerischen Positionierung für den Rechtsstaat schlichtweg enttäuschend.