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Henriette Quade zu TOP 05: Unterbringung von Flüchtlingen und Asylsuchenden in Sachsen-Anhalt

Über die letzte Große Anfrage zum Thema Unterbringung von Flüchtlingen und Asylsuchenden diskutierten wir Ende 2012 hier im Hohen Haus. Wir wurden damals vor allem durch zwei Faktoren beeinflusst.

Zum einen war 2012 das Jahr, in dem Flüchtlinge und Asylsuchende von Würzburg aus eine Protestaktion quer durch die gesamte Bundesrepublik starteten und nach Berlin zogen, um auf ihre Probleme und auf ihre Lebenssituation aufmerksam zu machen. Dieser Protest dauert bis heute an. Das Einfordern ihrer Rechte dauert ebenfalls bis heute an. Ich finde, das ist gut so.

Zum anderen diskutierten wir über die Ergebnisse der Großen Anfrage im Jahr 2012 vor dem Hintergrund eines damals in der Ankündigungs- und Erarbeitungsphase befindlichen Erlasses des Innenministeriums, dessen Kern darin bestand, Familien künftig dezentral in Wohnungen unterzubringen und Alleinreisende nicht länger als drei Jahre in Gemeinschaftsunterkünften leben zu lassen.

Exakt zwei Monate nach unserer damaligen Debatte erging der Erlass. Er ist seitdem wirksam. Ich bin deshalb besonders froh, dass wir heute die Gelegenheit haben, erneut einen Blick auf die Situation von Asylsuchenden im Land Sachsen-Anhalt zu werfen und anhand dieser Großen Anfrage darüber debattieren zu können.

Was fällt denn nun im Vergleich zum Jahr 2012 insbesondere auf? Zunächst einmal ist festzustellen, dass die Zahl der Asylsuchenden insgesamt gestiegen ist. Natürlich muss man das bei Vergleichen beachten und in Rechnung stellen. Bei der Zahl der Gemeinschaftsunterkünfte gab es ein wenig Bewegung. Einige wurden geschlossen. Andere wurden hingegen neu eröffnet. Weniger sind es nicht geworden. Dazu kommen andere Wohnformen wie Wohngemeinschaften, die als ein Teil der Entwicklung in den Landkreisen relativ neu entwickelt worden sind.

Wir begrüßen es ausdrücklich, dass in fast allen Landkreisen begonnen wurde, über die Frage der Unterbringung überhaupt zu diskutieren und über eine dezentrale Unterbringung und die Möglichkeiten dafür nachzudenken. Im Vergleich zum Jahr 2012 sind ca. 10 % weniger Menschen in Gemeinschaftsunterkünften und 10 % mehr in Wohnungen untergebracht. Nach wie vor muss man aber sagen, dass sich in den elf Gemeinschaftsunterkünften des Landes Menschen befinden, die dort länger als fünf Jahre leben. Ein großer Teil der Gesamtzahl fällt durch die prinzipiell erfreuliche Entscheidung des Landkreises Wittenberg zur Abkehr von der Gemeinschaftsunterbringung in Möhlau weg. Die Frage nach der Dezentralität stellt sich aber hier auch. Das hat zuallererst etwas damit zu tun, dass sich die Ortsbürgermeister schlichtweg weigern, Menschen aufzunehmen und Wohnraum zur Verfügung zu stellen. Das gehört zur Ehrlichkeit dazu.

In einigen Gemeinschaftsunterbringungen hat sich die Zahl der Menschen, die dort länger als fünf Jahre leben, sogar erhöht. Es muss auch analysiert und hinterfragt werden, wie das sein kann. Nach wie vor leben auch Familien in Gemeinschaftsunterkünften. Deren Zahl hat sich im Vergleich zum Jahr 2012 sogar teilweise erhöht. Aufgrund der Befassung im Innenausschuss wissen wir, dass ca. 3 % weniger Familien in Gemeinschaftsunterkünften wohnen und mehr in Wohnungen.

Dass es in absoluten Zahlen mehr sind als diese 3 % zunächst vermuten lassen, weil die Gesamtzahl gestiegen ist, ist klar. Man muss angesichts der nur 3 % weniger Familien in Gemeinschaftsunterkünften eben auch sagen, dass die Beantwortung der Großen Anfrage zeigt, dass der Erlass des Innenministeriums den Kern seiner Zielstellung verfehlt.

Die Frage, ob er diese Zielstellung erfüllen würde, war bereits damals ein Gegenstand der Auseinandersetzung und angesichts zahlreicher Ausschlusskriterien und in den Augen der Oppositionsfraktionen zu hoher Hürden fraglich. Die Befürchtung, dass der Erlass angesichts zahlreiner Kann-Bestimmungen und des insgesamt empfehlenden Charakters nicht wirklich wirksam werden würde, artikulierte ich für meine Fraktion auch damals. Minister Stahlknecht sagte in der damaligen Debatte Folgendes: „Wir werden auch dafür Sorge tragen, dass das, was wir in den Leitlinien wollen, am Ende umgesetzt wird. Ich schaffe nicht gemeinsam mit anderen Ressorts Leitlinien für die Galerie. Das gibt es mit mir als Minister nicht. Wir reden über die Dinge, suchen nach den besten Lösungen und irgendwann machen wir den Sack zu und dann wird exekutiert.“ Er fügte hinzu: „Sonst brauche ich kein Haus zu führen.“

Ich meine, angesichts dieser markigen Worte, vor allem aber im Interesse der Bewohnerinnen und Bewohner der Gemeinschaftsunterkünfte müssten die Zahlen der Großen Anfrage eine deutlich andere Sprache sprechen. Nach wie vor ist die Ablehnungsquote bei Anträgen auf dezentrale Unterbringung hoch. Schaut man sich die Gründe an, dann wird schnell deutlich, dass auch der Erlass selbst zur Begründung für eine solche Ablehnung herangezogen wird. Als Grund wird dann angeführt, dass der Betreffende noch keine drei Jahre in einer Gemeinschaftsunterkunft lebe, obwohl der Erlass nirgends festlegt, dass derjenige, der nicht drei Jahre in einer Gemeinschaftsunterkunft gelebt habe, nicht dezentral untergebracht werden dürfe.

Es ist völlig klar, dass solche Begründungen nicht das Innenministerium verfasst. Aber das tun die Landkreise in Zusammenarbeit mit den Betreibern. Allerdings werfe ich dem Innenministerium vor, dass man es zulässt, dass dieser Erlass so ausgelegt wird, wie es gerade passt, dass er außerordentlich flexibel ausgelegt wird. Sie tun offenkundig wenig, um dies zu ändern. Das zeigt sich auch an der nach wie vor absolut zu niedrigen Quote adäquat qualifizierter Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter. Die atemberaubende Zahl von gerade einmal vier unangekündigten Kontrollen, die sich mir angesichts der immer wieder auftretenden unhaltbaren Zustände in den Gemeinschaftsunterkünften absolut nicht erschließt, passt hierbei ins Bild.

Das macht deutlich, dass sich die zentrale Kritik am damals bevorstehenden und heute umgesetzten Erlass in der Umsetzung bestätigt. Er enthält keine verbindliche Festlegung, er enthält zu viele Kann-Bestimmungen. Zahlreiche Hürden stehen einer Verbesserung der Lebenssituation für alle Bewohnerinnen von GU im Weg.

Schließlich fehlt es offenkundig am politischen Willen, einen konsequenten Weg in Richtung dezentraler Unterbringung in Wohnungen zu gehen. Das wäre mit einer Änderung des Aufnahmegesetzes möglich gewesen. Das haben wir beantragt. Darüber haben wir hier debattiert. Das wurde mehrheitlich abgelehnt.

Mit dem heute vorliegenden Entschließungsantrag werden konkrete und richtige Schritte vorgeschlagen, die sich unterhalb der Ebene der Gesetzesänderung bewegen und die darauf abzielen, eine stärkere Verbindlichkeit und effizientere und stärkere Kontrollen durch die Fachaufsicht zu schaffen. Mit Blick auf die Befunde der Großen Anfrage ist genau das auch dringend geboten. Meine Fraktion wird den Entschließungsantrag daher unterstützen. Ich freue mich auf die Diskussion im Innenausschuss. Ich hoffe, wir kommen dort tatsächlich zu einer guten Beschlussempfehlung. Wenn der Erlass nicht doch nur für die Galerie gewesen ist, dann sollten Sie an einer solchen Beschlussempfehlung im Innenausschuss konstruktiv mitwirken.