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Henriette Quade zu TOP 03: Regierungserklärung des Ministers für Inneres und Sport Herrn Holger Stahlknecht zum Thema: „Wege zu einer Willkommenskultur in Sachsen-Anhalt“

Herr Minister, ich will mit einem Dank beginnen. Ich will ihnen bei aller politischen Differenz, manchmal in der Ideologie, manchmal im Detail, meistens in Beidem, danken, dass sie die Themen Migration, Integration und Willkommenskultur als politisch wichtige begreifen und seit Beginn der Legislatur hier durchaus Impulse gesetzt haben, die wir in Teilen ausdrücklich begrüßt haben und begrüßen.

Ich denke da beispielsweise an die Feststellung, dass Deutschland ein Einwanderungsland ist, an Ihre Äußerungen zur Optionspflicht oder auch die Anerkenntnis, dass über Jahren hinweg im prekären Status der Duldung zu leben, ein Problem darstellt. Und bitte sehen Sie es nicht als vermessen an, wenn ich sage, dass diese Impulse wie auch manche Worte die sie in der Vergangenheit gefunden haben nicht unbedingt dem entsprechen, was viele Menschen von einem CDU-Innenminister und einem Innenminister Stahlknecht erwartet hätten.

Das will ich mitnichten beklagen, im Gegenteil. Ich will ihre Worte sehr ernst nehmen. Und ihre Worte ernst zu nehmen, das heißt zu schauen, inwieweit Wort und Tat zusammenpassen und hier Regierungserklärungen und Regierungshandeln übereinstimmen und wie die Situation für Zugewanderte in Sachsen-Anhalt tatsächlich ist.

Und spätestens hier endet die Einigkeit und der von mir ausgesprochene Dank. Herr Minister, sie selbst haben darauf verwiesen, dass Willkommenskultur auch gegenüber Flüchtlingen, Asylsuchenden und Geduldeten gelebt werden muss. Das ist richtig. Denn wenn wir von Willkommenskultur reden, reden wir einerseits von Strukturen, von gezielten Angeboten, von Beratung und Informationen, von Möglichkeiten der Lebensgestaltung jeder und jedes Einzelnen. Es geht aber auch um eine gesellschaftliche Stimmung und Atmosphäre, mit der Zugewanderten in Sachsen-Anhalt begegnet wird und die unterscheidet nicht danach, ob jemand einen deutschen Pass hat oder bekommen könnte, ob jemand mit Visum oder Visumsfrei eingereist ist, ob jemand als politisch oder anderweitig Verfolgter hier Schutz sucht.

Gesellschaftliche Stimmung und Atmosphäre, die für den Alltag zugewanderter entscheidend sind, funktioniert nach anderen und wie ich finde, weitaus schwieriger zu fassenden Kriterien. Und leider müssen wir feststellen, dass wir allzu oft von so etwas wie Willkommenskultur weit entfernt sind. Allzu oft schlägt Zugewanderten prinzipielle Skepsis entgegen, wird die Frage nach ihrer Berechtigung, überhaupt hier zu sein, gestellt, wird ihnen pauschal unterstellt, anders und fremd zu sein und werden Konflikte vermutet und stilisiert, bevor sie überhaupt entstanden sind. Ausgangspunkt dafür ist zumeist die -manchmal vielleicht auch nur gefühlte-Grundannahme, dass es erstens prinzipielle Wesensunterschiede zwischen Angehörigen verschiedener Nationalitäten und verschiedener Kulturkreise gibt und zweitens, dass Zugewanderte per se nicht dieselben Rechte haben, wie diejenigen, die als Deutsche geboren wurden.

Daraus erwachsen eine Vielzahl von Konflikten und alltäglichen Diskriminierungen, bis hin zu offen artikuliertem Rassismus. Beim Schlagwort Rassismus denken viele an organisierte Neonazis und schreiben das Phänomen diesem vermeintlichen gesellschaftlichen Randbereich zu. Und natürlich ist es eine kleine Minderheit, die rassistische und fremdenfeindliche Gewalttaten verübt. Aber es ist eine wirkungsmächtige Minderheit und wir müssen feststellen, dass nach wir vor statistisch alle 2 bis 3 Tage ein Mensch Opfer rechter Gewalt wird und dass insbesondere die Zahl rassistisch motivierter Gewalttaten im letzten Jahr noch einmal zugenommen hat.

Migrantinnen und Migranten und alle, die als nichtdeutsche wahrgenommen werden, sind damit besonders häufig Betroffene und Opfer rechter Gewalt und brauchen neben professioneller Hilfe und Beratung vor allem gesellschaftliche Solidarität. Genau diese Solidarität bedeutet aber auch, Rassismus und Xenophobie eben nicht als Phänomene gesellschaftlicher Randgruppen zu begreifen, sondern als gesamtgesellschaftliches Problem, dass uns in allen gesellschaftlichen Schichten, Altersgruppen und Bereichen begegnet.

Aktuell belegen die entsetzlichen Hetzkampagnen gegen die Unterbringung von Asylsuchenden die wir gegenwärtig in verschiedenen Orten beobachten müssen, dass Rassismus ein Problem der Mitte ist. Und wer denkt Hellersdorf ist weit weg und hat mit Willkommenskultur in Sachsen-Anhalt nichts zu tun, der irrt. Auch hier in Sachsen-Anhalt können solche Kampagnen beginnen, zum Teil haben sie es schon. Seit November gibt es im Sozialen Netzwerk Facebook die Seite "Wolfen wehrt sich-kein Asylheim am Krondorfer Gymnasium", die innerhalb weniger Stunden nach Einstellung der Seite bereits 700 Unterstützerinnen und Unterstützer gefunden hat.

Natürlich ist es schwierig, auf gesellschaftlichen Rassismus eine politische Antwort zu finden, natürlich sind es langwierige Prozesse, natürlich ist es eine menschliche Herausforderung, auf rassistische Äußerungen und Vorurteile zu reagieren und je privater der Rahmen desto schwieriger wird es, keine Frage. Ich mache mir auch keine Illusionen darüber, dass es immer einen Teil geben wird, auf denen wir, auf den Politik, Bildungsangebote und interkulturelle Wochen keinen Einfluss haben werden.

Aber natürlich hängt gesellschaftliche Stimmung auch und entscheidend davon ab, welche politischen Signale gesetzt werden und wie der Staat und seine Behörden mit Zugewanderten umgehen, welche Rechte sie qua Gesetz haben und wie politische Debatten zu dem Thema geführt werden. In den Augen meiner Fraktion, beginnt eine Debatte über Zuwanderung dann nicht hilfreich zu sein, wenn sie zwischen Guten und Schlechten, zwischen Nützlichen und Nichtnützlichen, zwischen bereichernden und zur Last fallenden unterscheidet. Und um es ganz klar zu sagen: Für uns ist es nicht hinnehmbar, die Frage ob jemand hier willkommen ist oder nicht, an der Frage seiner wirtschaftlichen Nützlichkeit festzumachen.

Nun bin ich sicher, niemand hier im Hause würde postulieren, dass jemand der verfolgt ist, hier nicht willkommen wäre. Die entscheidende Frage ist doch aber, wer als Verfolgt gilt und wie der Alltag der Menschen, die mit einem ungesicherten Status hierher kommen und hier leben, aussieht. Insbesondere darum, wer aus welchen Gründen nach Deutschland kommen darf, erleben wir in den letzten Monaten eine Debatte um sogenannte Armutsflüchtlinge aus Balkanländern, aus Rumänien, Serbien, dem Kosovo, Mazedonien, Montenegro oder auch aus Bulgarien, die in Teilen in fataler Weise an die verheerende 'Das Boot ist voll Rhetorik' der frühen 90er Jahre erinnert.

Diese Menschen, oftmals Angehörige der Minderheit der Roma, werden als Sozialschmarotzer diffamiert, die sich lediglich persönlich bereichern wollen und die gar keine realen und vor allem gültigen Gründe hätten, Ihre Heimat zu verlassen und nun massenhaft die deutschen Sozialsysteme bedrohten. Roma sind in vielen Ländern, darunter die genannten, von systematischer Diskriminierung und Benachteiligung betroffen. Natürlich sind Roma keine homogene Gruppe und natürlich gibt es überall arme und reiche, sichere und prekäre, akzeptierte und Nichtakzeptierte. Fakt ist aber auch, dass Roma im gesamten Südosteuropa mit etwa 1/10 Anteil an der Gesamtbevölkerung zwar die größte Minderheit darstellen, gesellschaftlich aber marginalisiert sind. Der Zugang zum offiziellen Arbeitsmarkt ist eine große Hürde, sowohl in er öffentlichen Verwaltung, wie auch in der Privatwirtschaft sind Roma deutlich unterrepräsentiert, im Öffentlichen Dienst kommen sie nahezu gar nicht vor. Die Arbeiten, die ihnen bleiben sind die, für die sich niemand anderes findet und oftmals schwer, teilweise gefährlich, schlecht bezahlt und am unteren Ende der Ansehens- und Einkommenshierarchie angesiedelt. Der Zugang zu gesundheitlicher Versorgung, zum Bildungssystem und der Zugang zum regulären Wohnungsmarkt und Infrastruktur wie Kanalisationssystemen sind weitere grundlegende Probleme, mit denen Roma umgehen müssen und die ihr Leben erschweren. Es gibt mittlerweile eine Vielzahl von Berichten von internationalen Delegationen zur Situation der Roma in den Balkanländern
die zum Teil katastrophalen Lebensbedingungen schildern und belegen.

Gleichzeitig gelten aber Länder wie z.B. Serbien als sogenannte sichere Herkunftsländer und sind Hauptzielort von Abschiebungen. Meine Fraktion kann und will es jenen, die versuchen sich in einem anderen Land, z.B. In Deutschland ein anderes Leben zu schaffen nicht verdenken. Menschen sind in der Geschichte immer dorthin gegangen, wo sich gute oder bessere Existenzbedingungen boten, und wir sehen es im globalisierten 21. Jahrhundert als die normalste Sache der Welt und als das gute Recht jedes Einzelnen an, dass die Chancen, die da sind, genutzt werden.

Das Asylrecht der Bundesrepublik erkennt Armut aber nicht als Fluchtgrund an. Auch gesellschaftliche Marginalisierung und Diskriminierung sind keine anerkannten Fluchtgründe die einen sicheren Aufenthaltsstatus zur Folgehaben. Damit sind wir bei den Details des Asylrechtes, die für den Alltag der von ihm Betroffenen von entscheidender Bedeutung sind. Und wenn ich eben davon sprach, dass für die Offenheit einer Gesellschaft und die in ihr gelebten Willkommenskultur die Frage, welche Rechte Zugewanderte haben oder eben nicht haben, ist, dann müssen wir feststellen: Eine Fülle von Sondergesetzen, die nur für Asylsuchenden gelten manifestieren eine politisch mehrheitlich gewollte und juristisch legitimierte Ungleichheit von Deutschen und Zugewanderten. Der Alltag von Menschen, die nicht mit fertig erarbeiteter Perspektive und nachweislich gesichertem Lebensunterhalt hierher kommen ist geprägt von Ungewissheit und permanenter Abhängigkeit von behördlichen Entscheidungen.

Der Minister sprach eben die Frage der Kooperationsbereitschaft von Asylsuchenden an und eröffnete zumindest die gedankliche Möglichkeit denen, die gut ausgebildet sind und die als kooperationswillig gelten, weil sie die sogenannten Mitwirkungspflichten erfüllen, den Arbeitsmarktzugang zu erleichtern. Das klingt zunächst recht fortschrittlich, wie wenig das aber mit Willkommenskultur zu tun hat, wird aber recht schnell deutlich, wenn man sich die sogenannten Mitwirkungspflichten näher anschaut. Denn den Mitwirkungspflichten nicht nachzukommen ist der wohl am häufigsten erhobene Vorwurf an Asylsuchende und Geduldete und auch der häufigste Grund zum Ausschluss von theoretisch möglichen Verbesserungen ihrer Lebenssituationen. Insbesondere mangelnde Mitwirkung bei der Passbeschaffung und der formellen Identitätsklärung führt dazu, dass Menschen der Zugang zum Arbeitsmarkt, die Unterbringung in Wohnungen und die Möglichkeit eines dauerhaften Aufenthaltstitels verweigert wird.

Derlei Ausschlussgründe gelten für die meisten Maßnahmen, auf die der Minister eingegangen ist und in den Augen meiner Fraktion sind dies Gründe, die eben nicht an der Realität von Geflüchteten orientiert sind. Es entspricht nicht der Realität, dass man auf der Flucht vor Krieg, vor Vertreibung, vor staatlicher Verfolgung, vor Elend und Armut in jedem Fall seine Dokumente wohlgeordnet bei sich führen kann. Die mangelnde Mitwirkungsbereitschaft wird oftmals auch daran festgemacht, dass jemand nicht bereit ist, in die Botschaft oder das Konsulates des Landes aus dem er geflohen ist zu gehen, um dort seine Identitätsnachweise zu beschaffen. Insbesondere im Falle politischer oder staatlicher Verfolgung oder wenn, was ebenfalls nicht selten ist, Familienangehörige noch im Heimatland leben und potentiell ebenfalls von Verfolgung bedroht sind, liegt auf der Hand, dass dies eine realitätsferne Regelung ist, die nicht im Interesse der von ihr Betroffenen ist und deren Erfüllung verheerende Konsequenzen haben kann.

Doch solche Details sind nicht oder nicht zuerst Ergebnis von Bürokratieversessenheit. Ausschlussgründe wie diese sind Ergebnis und konsequente Fortsetzung des Asylkompromisses und einer Zuwanderungspolitik, die in ihrer Grundlinie auf die Reduzierung von Anspruchsberechtigten abzielt. Dass wir hier über Bundesgesetze reden und über bundespolitische Entscheidungen, ist klar. Aber natürlich hat das Land einen Einfluss darauf, wir haben in dieser Legislatur mehrfach über Initiativen im Bundesrat beraten und abgestimmt und auch an anderer Stelle wird der Minister ja nicht müde, auf sein bundespolitisches Engagement, beispielsweise beim NPD Verbot zu verweisen. In den Augen meiner Fraktion braucht es eine grundsätzlich andere Aufenthalts- und Bleiberechtspolitik, die eben nicht auf Reduzierung der Anspruchsberechtigten, sondern auf dauerhaften Aufenthalt in Würde, in Sicherheit und in Freiheit zielt und es wäre unehrlich, über Wege zu einer Willkommenskultur zu sprechen, und diese Ebene auszublenden.

Aber selbst wenn sie diese grundsätzliche Kritik nicht teilen, wovon ich ausgehe und wovon auch nach der Regierungserklärung des Ministers wenig überraschend auszugehen ist, müssen sie doch zumindest anerkennen, der Minister hat das ja in Teilen auch getan, dass die Konsequenz aus der politischen Grundentscheidung ist, dass zahlreiche Sonderregelungen, Stichtagsregelungen und Optionen für eng definierte kleine Gruppen existieren, die in sich unübersichtlich sind, die mehr Menschen ausschließen als einschließen und die insgesamt alles andere als Willkommenskultur verkörpern, von Willkommensstrukturen ganz zu schweigen.

Wenn wir auf Situation hier im Land und den unmittelbaren Wirkungsbereich der Landesregierung schauen ist aus Sicht meiner Fraktion zu konstatieren: Zwar haben wir einen Innenminister, der das Thema Zuwanderung und insbesondere auch die Unterbringung Asylsuchender offenbar als wichtig begreift. Viel geändert hat das aber nicht.

Mit Blick auf die Erstaufnahmeinrichtung ZAST in Halberstadt hat sich die Situation sogar erheblich verschlechtert, was etwas mit den gestiegen Zahlen zu tun hat, auf die das Land offenbar nicht ausreichend vorbereitet war. Die ZAST ist heillos überfüllt, Neuankommende müssen zum Teil in der Turnhalle einquartiert werden mit unzureichender hygienischer und sanitärer Versorgung. Im Moment leben etwa 150 Kinder in der ZAST, seit Beginn des Jahres gibt es aber keine Betreuung für Kinder mehr und auch an dieser Stelle zeigt sich, dass das Konzept verwaltungsinterne Ausschreibung nicht zuverlässig funktioniert und über fast 1 Jähr offenkundig niemand es für notwendig befunden hat, einen anderen Weg zu gehen und hier endlich ein Angebot zur Kinderbetreuung zu schaffen. Zusätzlich zur räumlich problematischen Situation erschwert das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Lage für die Ankommenden, indem die für Erstaufnahmeeinrichtung nach wie vor geltende Residenzpflicht nicht mal für den Landkreis, sondern nur für das Stadtgebiet von Halberstadt gilt.

Nach wie vor ist die Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften die Regelunterbringung. zumeist in randständigen Gebieten, isoliert von der Mehrheitsgesellschaft, mit schwieriger und nicht durchgängig gegebener Anbindung an ÖPNV, an soziale und gesundheitliche Infrastruktur, an gesellschaftliches Leben und zu weiten Teilen von Teilhabe geschweige denn demokratischer Mitbestimmung ausgeschlossen, müssen zwangsweise auf engstem Raum, zu dritt, zu viert oder zu mehreren erwachsene Menschen auf unbestimmte Zeit ohne Privatsphäre und ohne die Chance auf eine selbstbestimmtes Lebensführung und zur Untätigkeit verdammt leben.

Der oft bemühte Erlass des Innenministers zur Unterbringung ändert daran nur minimal etwas. Denn auch er beinhaltet die bereits beschriebenen restriktiven Ausschlussgründe, auch er greift nur für einen kleinen Teil der Menschen und er ist auf Grund der Fülle von Soll - und Kannbestimmungen eben keine verbindliche und effektive Regelung. Wie so oft im Bereich Asyl- und Aufenthaltsrecht ist er Teil einer Kette von hin und her geschobener Verantwortung für Menschen. Der Erlass wird teilweise umgangen, teilweise wird er explizit als Rechtfertigung für zentrale Gemeinschaftsunterbringung herangezogen nach dem Motto ' wir würden ja, aber wir dürfen die Leute erst nach 3 Jahren dezentral unterbringen'.

Dass eine solche Argumentation von Seiten der jeweiligen Landkreise unehrlich und unredlich ist, ist klar. Nachdem der Erlass fast ein Jahr in Kraft ist und noch nicht mal der Kernbereich, nämlich die dezentrale Unterbringung von Familien komplett umgesetzt wird, ist es aber nicht weniger unehrlich so zu tun, als wäre alles geklärt und zum guten geregelt.

Das, Herr Minister, passt nicht zum Bild des Innenministers als besseren Integrationsministers, das hat mit Willkommenskultur nichts zu tun. Und weil sie gestern hier den Haushalt verabschiedet haben: Es wäre ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer Willkommenskultur gewesen, den Finanzbedarf der Kommunen zur Unterbringung der Asylbewerber_innen ehrlich zu erfassen und ihnen die notwendigen Mittel zur Verfügung zu stellen und ich bin sicher, das würde es auch erleichtern, Willkommenskultur vor Ort zu etablieren. Die zusätzlichen 4 Millionen sind nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein.

Herr Minister, sie sprachen das Modellprojekt und ein geplantes Anschlussprojekt an, von dem der Impuls ausgehen soll, die Ausländerbehörden des Landes zu Willkommensbehörden zu gestalten. Das begrüße ich ausdrücklich und ich zweifle in keiner Weise an der Notwendigkeit, zumal ich noch nie erlebt habe, dass jemand, der schon mal etwas mit einer Ausländerbehörden zu tun hatte, angesichts des Titels Willkommemsbehörde, nicht höhnisch aufgelacht hätte, weil sie im Moment eben das krasse Gegenteil darstellen. Die Ausländerbehörden werden in keiner Weise als Service oder Beratungsstelle wahrgenommen, im Gegenteil werden sie eher als eine Art drohendes Damoklesschwert empfunden und die Entscheidungen nicht selten als willkürlich und nicht nachvollziehbar.

Gerade auch dass Magdeburg hier eine Vorreiterrolle übernehmen soll, scheint mir angebracht. Erst in dieser Woche beschrieb mir einen Kollegin den Fall einer Bekannten, die seit 2008 hier in Magdeburg lebt, es geschafft hat, sich ihren Lebensunterhalt zu sichern und eigentlich ein ganz normales Leben führen könnte, allerdings nach wie vor alle 3 Monate einen neuen Antrag bei der Ausländerbehörden stellen muss und sich dort als alles andere als eine Kundin vorkommt. Insofern kann ich sie in der Problemwahrnehmung nur unterstützen und ich hoffe inständig, es beliebt hier nicht nur bei der Ankündigung.

Herr Minister, Sie haben ihre Rede mit einem Resümee begonnen, dass sich auf die Formel ' es wurde schon viel erreicht' bringen lässt. Und ja, tatsächlich hat sich im Land etwas getan mit Blick auf die in ihrer Logik erwünschte Migration. Und auch wenn ich ihre Unterscheidung in nützliche und unnützliche Zuwanderung nicht teile, verkenne ich nicht, dass es tatsächlich kleine Schritte gibt, dass es einzelne Projekte gibt, die Zugänge zum Arbeitsmarkt möglich machen sollen, die Arbeitsmöglichkeiten finden, die spezifische Sprachkompetenzen vermitteln sollen und die Orientierung in den Verfahren zu Anerkennung im Ausland erworbener Berufsqualifikationen geben. Das sehe ich sehr wohl und ich sehe vor allem, dass das auch und maßgeblich etwas mit der besseren Vernetzung der migrantischen Communities, mit der Etablierung des Netzwerks der Migrantenselbstorganisationen und mit der aufopferungsvollen Arbeit vieler, oft auch ehrenamtlich tätiger Menschen zu tun hat. Dafür will ich denjenigen, die diese Arbeit leisten ausdrücklich danken. Ich fände es allerdings besser, wenn es nicht nötig wäre, mit viel Engagement und auch mit Kreativität die bestehenden Hürden für Zugewanderte beim Zugang zum Arbeitsmarkt zu umgehen oder Lücken zu finden, sondern endlich gesetzliche und verbindliche Regelungen zu schaffen, die die Hürden aus dem Weg räumen.

Willkommenskultur braucht mehr als Einwanderungskampagnen und Modellprojekte. Willkommenskultur braucht ein politische und gesellschaftliches Grundverständnis, dass Vielfalt und Unterschiedlichkeit auch unabhängig von der Frage der Herkunft nicht als Problem, sondern als Selbstverständlichkeit begreift und Politik, die weniger auf Normierung als auf Selbstbestimmung zielt.

Willkommenskultur braucht konkrete Schritte: der klar erkennbare Wille des Gesetzgebers, allem Zugewanderten ,unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus, ein Leben in Würde und Selbstbestimmung zu garantieren, dir gesetzlich festgeschriebene dezentrale Unterbringung Asylsuchender als Regelunterbringung, die genaue und regelmäßige Kontrolle der Verfahrensweisen der Landkreise, die Beteiligung des Landes an Initiativen zur bundesweiten Abschaffung der Residenzpflicht wären solche konkreten und notwendigen Schritte.

Überfällig und notwendig wäre auch und gerade das klare politische Signal, dass Menschen die Schutz suchen, in Sachsen-Anhalt willkommen sind. Und ich will ihnen abschließend auch hierzu einen konkreten Vorschlag machen. Ich bin in meiner Rede auf die Situation der Roma in den Staaten Südosteuropas eingegangen. Die beschriebenen Probleme verschärfen sich mit dem Beginn des Winters massiv, was vielen Länder in der Vergangenheit und auch in diesem Jahr dazu brachte, einen sogenannten Winterabschiebestopp zu erlassen. Ich appelliere an Sie, dies auch für Sachsen-Anhalt zu tun, das wäre ein wichtiger Schritt und es wäre einem Weg zur Willkommenskultur weitaus angemessener, als Menschen zum Vorwurf zu machen, dass sie Recht auf Freizügigkeit und die Visumsfreiheit in Anspruch nehmen und ihnen zu unterstellen, sie wären potentiell nicht rechtstreu und würden alles tun, um ihre Asylverfahren in die Länge zu ziehen.