Diese Website verwendet Cookies. Warum wir Cookies einsetzen und wie Sie diese deaktivieren können, erfahren Sie unter Datenschutz.
Zum Hauptinhalt springen

Hendrik Lange zu TOP 25: Personalstruktur an den Hochschulen einer kritischen Überprüfung unterziehen

Eine gute Ausbildung und Leistungsbereitschaft schützen schon lange nicht mehr vor prekärer Beschäftigung. Zu dieser Erkenntnis kann man gelangen, wenn man einen Blick auf das System Hochschule und Wissenschaft wirft. Kurzfristige Arbeitsverträge mit einer Laufzeit von weniger als einem Jahr sind an vielen Einrichtungen genauso wie Stellenteilungen im wissenschaftlichen Mittelbau die Regel. Es kommt vor, dass Promovierende nur eine Drittelstelle bekommen. Während einer Veranstaltung, die die GEW gemeinsam mit dem Studierendenrat und der Rosa-Luxemburg-Stiftung am letzten Dienstag durchführte, berichtete ein Uni-Mitglied über die Besetzung von Viertelstellen. Dies geschah zum Entsetzten der Prorektorin, die auch anwesend war.
Gleichzeitig wird volle Leistungsbereitschaft erwartet. Die Betroffenen werden auch voll in die Lehre integriert. Sich dagegen zu wehren bedeutet für diese Beschäftigten immer die Gefahr, den befristeten Vertrag nicht verlängert zu bekommen. Zudem wird die Promotion als Arbeit für sich selbst deklariert, um dieses Vorgehen zu rechtfertigen.  

Dabei wird das von Fachrichtung zu Fachrichtung recht unterschiedlich gehandhabt. Das kommt auch immer ein Stück weit darauf an, wie der Arbeitsmarkt aussieht. In den Geisteswissenschaften sind Drittelstellen durchaus schon die Regel. In den Ingenieurwissenschaften muss die Stelle meistens als ganze Stelle vergeben werden. Vernünftig ist das. Ansonsten bekommt man die Stelle oftmals schon nicht mehr besetzt. Eigentlich ist das eine gute Sache. Trotzdem ist die unterschiedliche Handhabung durchaus erwähnenswert und auch bemerkenswert.

Um das Problem der Befristung in seinem ganzen Ausmaß deutlich zu machen, möchte ich Ihnen folgende Zahlen aus dem Evaluationsbericht der HIS GmbH darstellen. Über alle deutschen Hochschulen hinweg liegen die Laufzeiten bei 53 % aller Zeitverträge unter einem Jahr. 53 % aller Zeitverträge werden mit einer Laufzeit von weniger als einem Jahr abgeschlossen. 36 % der Zeitverträge haben eine Laufzeit von einem bis zwei Jahren. Nur 11 % dieser Verträge laufen länger als zwei Jahre. Hier spricht die HIS GmbH schon von längerfristiger Beschäftigung. Das ist bezeichnend. In den Forschungseinrichtungen sieht es ähnlich aus.

Hier muss dringend umgesteuert werden. Hier muss die Politik auch handeln. Dafür muss die Situation vor Ort analysiert werden. Letztlich sollte die Mittelvergabe an die Bedingungen geknüpft werden, die für gute Arbeit gelten.  

Machen wir uns nichts vor. Dass diese Bedingungen in unseren Hochschulen herrschen, liegt auch daran, dass diese wachsende Erwartungen in der Forschung, aber vor allem in der Lehre mit immer weniger Geld erfüllen müssen, denn ähnlich sieht es bei den Lehraufträgen aus, die eigentlich nur ergänzende Angebote sein sollten. Heute sind Lehrbeauftragte in die reguläre Lehre eingebunden und werden für viel Arbeit so schlecht bezahlt, dass sie oftmals Aufstocker sind. Es kommt auch vor, dass die Situation von Menschen, die eine Lehrbefähigung haben, also eine Habilitation, dermaßen ausgenutzt wird, dass sie gar nicht entlohnt werden. Das funktioniert einfach so, dass diese Leute die Lehrbefähigung nach zwei Jahren verlieren würden, wenn sie nicht nachweisen, dass sie Lehre an einer Hochschule getätigt haben. Sie hätten damit überhaupt keine Aussicht mehr auf eine Professur.

Ich führe die Befristung und Teilbesetzung von Stellen insbesondere darauf zurück, dass es eine Umsteuerung von der institutionellen Förderung hin zur Projektförderung gegeben hat. Im Wissenschaftsbereich wird immer stärker auf die Projektförderung orientiert. Die Folge davon ist eine gewisse Kurzfristigkeit nicht nur im Bereich der Stellenbesetzung, sondern auch bei dem, was in der Forschung passiert. Aber diese Kurzfristigkeit hinterlässt in der Forschung auch eine gewisse Kurzatmigkeit. Es gibt sehr ernst zu nehmende Stimmen, die sagen, das führt dazu, dass das Innovationspotenzial in Deutschland nachhaltig gefährdet wird. Darüber muss man nachdenken. Gegen die Kurzatmigkeit in der Wissenschaft muss man etwas machen.

Die GEW kritisiert zu Recht wie folgt: „Die extrem kurzen Vertragslaufzeiten sind nicht nur eine schamlose Ausbeutung junger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Die Hochschulen und Forschungseinrichtungen untergraben damit auch die Kontinuität und Qualität der wissenschaftlichen Arbeit in Forschung und Lehre sowie die Attraktivität des Berufs Wissenschaft und sägen damit an dem Ast, auf dem sie sitzen.“

Für DIE LINKE ist deshalb klar, dass Daueraufgaben durch Dauerstellen betreut werden müssen und dass prekäre Beschäftigung durch reguläre Beschäftigung ersetzt werden muss. Der wissenschaftliche Mittelbau muss wieder stärker durch Dauerstellen gestärkt werden. Für uns ist es dabei wichtig, dass auch im Mittelbau eigenständig geforscht und gelehrt werden kann. Das setzt ein Abrücken vom Lehrstuhlprinzip hin zur übergreifenden Teamarbeit voraus. Zudem sollte anstatt der Habilitation viel stärker auf die Juniorprofessur gesetzt und ein Tenure-Track in Aussicht gestellt und implementiert werden.

Ich gehe noch kurz auf den alternativen Antrag der Koalition ein. Der geht in eine ganz ähnliche Richtung. Ich sage einmal, es ist ja gut, wenn die Opposition vorangeht und die Koalition sich dann auch in eine ganz vernünftige Richtung bewegt.

Aber ein Punkt, der uns sehr wichtig ist, fehlt in Ihrem alternativen Antrag. Es geht um das Wissenschaftszeitvertragsgesetz. Dieses Gesetz beinhaltet nicht nur die viel kritisierte Sechs-plus-sechs-Regelung, die besagt, dass man nur sechs Jahre vor der Promotion und sechs Jahre nach der Promotion befristet beschäftigt sein darf. Das ist eine sehr zu kritisierende Regelung, wenn es nicht genügend Dauerstellen gibt.  
Das Gesetz beinhaltet auch die so genannte Tarifsperre. Das bedeutet, dass Arbeitgeber und Gewerkschaften keine tarifvertraglichen Regelungen treffen dürfen, die von den Regelungen des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes abweichen. Bezogen auf die Befristungsregelungen ist das geradezu absurd, werden diese doch üblicherweise von den Tarifparteien ausgearbeitet und ausgehandelt. Hier war die SPD wohl ein wenig zu kompromissorientiert. Die CDU verstehe ich an der Stelle überhaupt nicht, betont sie doch ansonsten immer die Tarifautonomie, besonders wenn es um die Debatte um den Mindestlohn geht. Ich kann nicht verstehen, wieso man hinsichtlich des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes die Tarifautonomie nicht auch wieder oben anhängt. Da wäre es richtig. In der Mindestlohndebatte ist das ein ganz anderes Thema.
Dieser Punkt ist für uns so wichtig, dass Sie sicherlich verstehen, dass wir Ihrem Alternativantrag nicht zustimmen werden.