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Eva von Angern zu TOP 03: Entwurf eines Gesetzes zur Ausführung des Therapieunterbringungsgesetzes in Sachsen-Anhalt (AG ThUG LSA)

Meine Fraktion hatte ursprünglich für die zweite Lesung eine 10-Minuten-Debatte beantragt, doch die Koalitionsfraktionen lehnten dies ab. Tenor: Der Worte sind genug gewechselt. Dieses Verfahren ist zwar weit entfernt von einer so genannten Sternstunde des hohen Hauses, aber das Gesetz muss letztendlich beschlossen werden. Schließlich steht möglicherweise die Entlassung eines Sicherungsverwahrten an. Nun gut. Das alles sei dahin gestellt.

Bemerkenswert finde ich allerdings beim Gedanken „es ist alles gesagt“, dass zumindest die Betroffenen - Akteure bzw. die Fachexperten des Landes außerhalb der Ministerien - erst alles sagen konnten oder durften, als der Rechtsausschuss sie zur Anhörung lud.

Eine schriftliche Anhörung der Landesregierung fand unter Verweis darauf, dass man schon alle Argumente aus der Anhörung im Bundestag kenne, nicht statt. Ein wirklich bemerkenswerter und hoffentlich zukünftig seltener Vorgang. Ansonsten kann die Landesregierung den Großteil der Anhörungen in Zukunft einsparen, weil zu fast allen Themen die Argumente bekannt sind.

Zur Anhörung selbst muss mit knappen Worten folgendes eingeschätzt werden: Die fachliche Bewertung des vorliegenden Gesetzentwurfes war vernichtend. Lediglich der Richterbund des Landes findet alles gut …

Sicher, man kann sich darauf zurückziehen, dass das Gesetz lediglich Bundesrecht umsetzt und kaum Gestaltungsspielraum besteht. Und dennoch möchte ich einige wesentliche Argumente aus der Anhörung vortragen, die im Wesentlichen auch bei der gesamten Neuordnung der Sicherungsverwahrung dringend beachtet werden müssen.

Prof. Renzikowski von der MLU leitete die Anhörung mit den klaren und verständlichen Worten ein, dass aus seiner Sicht das Therapieunterbringungsgesetz (ThUG) mangels Bundeskompetenz verfassungswidrig sei. Dieser Auffassung schließt sich die Fraktion der LINKEN an. Sei es die Ausgestaltung des Strafvollzuges oder des Maßregelvollzuges oder sei es die Ausgestaltung einer psychiatrischen Unterbringung: alles liegt in der Zuständigkeit des Landesgesetzgebers. Daher ist schon jetzt mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten, dass das BVerfG das ThUG einkassiert.

Verfolgen wir den Gedanken der Verfassungswidrigkeit weiter, kommen wir unweigerlich zu der Schlussfolgerung, dass wir heute wissentlich ein verfassungswidriges Gesetz beschließen. Mir ist bekannt, dass das auch in den Reihen der Koalitionsfraktionen so gesehen wird und daher das Gesetz als „Lückengesetz“ schön geredet wird. Es soll ja nur den Übergang zum nächsten Gesetz schließen.

Wenn die Koalitionsfraktionen diese Auffassung tatsächlich auch teilen, wäre es nur folgerichtig, wenn sie heute unserem Entschließungsantrag hinsichtlich des abstrakten Normenkontrollverfahrens zustimmen. Dann sind sie aus der zweifelsohne misslichen Lage ein Stück weit befreit und zeigen deutlich dem Bundesgesetzgeber eine rote Karte.
Wir dürfen nicht dem öffentlichen Druck eines Sicherheitsbedürfnisses erliegen, der durch die vorliegend zweifelsfrei schweren Straftäter entsteht. Wir leben in einem Rechtsstaat und da ist eben nicht jedes Mittel erlaubt, sondern jedes staatliche Handeln muss auf seine Verfassungsmäßigkeit geprüft werden.

Unsere heutige Ablehnung hat nicht nur damit zu tun, dass wir die Gesetzgebungskompetenz des Bundes anzweifeln. Nach wie vor hält DIE LINKE die nachträgliche Sicherungsverwahrung – wie auch immer sie ausgestaltet sein mag – für konventions- und verfassungswidrig. Menschen werden für (Straf)taten/ Handlungen bestraft, die sie nicht begangen haben. Menschen werden im Nachhinein dafür bestraft, dass nicht ausreichend mit ihnen im Vollzug gearbeitet wird/ dass die Resozialisierung im Strafvollzug völlig unzureichend ist.

Nicht ohne Grund fordert das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) den Gesetzgeber auf, mindestens in der Sicherungsverwahrung therapeutische Angebote der jeweils erforderlichen Art anzubieten. Doch das muss bereits im Vollzug geschehen.
Schon von Antritt der Freiheitsstrafe an müssen alle Maßnahmen im Vollzug so ausgerichtet sein, dass die Erforderlichkeit der Sicherungsverwahrung ausgeschlossen ist. Langfristig können wir nur so einen relativen Schutz der Bevölkerung sicherstellen. Einen absoluten Schutz gibt es nicht.

Das BVerfG urteilte schon vor Jahren, dass die lebenslange Freiheitsstrafe eben nicht lebenslang vollzogen werden darf, weil jeder Mensch eine zweite Chance verdient hat. Zudem hat der Strafvollzug den klaren gesetzlichen Auftrag, die Gefangenen auf ein straffreies Leben vorzubereiten. Doch mittels der nachträglichen Sicherungsverwahrung haben Sie eine Hintertür gefunden und sperrangelweit geöffnet, um sich um diesen Grundsatz herum zu schleichen. Das entspricht nicht dem Rechtsstaatsgedanken und schon gar nicht der Menschenwürde.

Ein weiterer wesentlicher Grund für unsere Ablehnung wurde insbesondere von den Fachleuten der Psychiatrie in der Anhörung benannt: Es findet ein Missbrauch der Psychiatrie statt. Die Psychiatrie wird der Abfalleimer für jene, mit denen die Gesellschaft nicht klar kommt. Gerade wegen unserer Geschichte dürfen Sie das nicht zulassen.

Sie haben einen Ort für die Verwahrung von Straftätern gesucht, um Sicherungsbedürfnisse der Gesellschaft zu befriedigen und in der Psychiatrie gefunden. Doch der Preis ist nach Auskunft der Akteure sehr hoch. Sie bringen die Erfolge im Maßregelvollzug in Gefahr. Das liegt nicht allein in der prekären Personalsituation in Uchtspringe begründet, sondern auch in der Verschlechterung des therapeutischen Klimas. Und nicht zu vergessen ist, dass sich in der Psychiatrie kranke Menschen befinden, doch die in Rede stehende Klientel ist eben nicht krank!
Wir reden hier über Straffällige, aber nicht kranke Menschen. Daher kann das Strafrecht seine Verantwortung nicht in der Psychiatrie abladen.

Es ist zweifelsfrei keine einfache Materie und auch wir haben keine einfachen Lösungen. Doch eine Gesellschaft misst sich an ihrem Umgang mit allen Menschen, seien es Opfer oder seien es Täter. Und bevor wir eine solche, so intensiv in die Rechte von Menschen eingreifende Maßnahme wie die nachträgliche Sicherungsverwahrung vornehmen, muss gründlich geprüft sein, ob es tatsächlich die ultima ratio ist und sämtliche mögliche Maßnahmen im Vorfeld angewendet und gescheitert sind.