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Thomas Lippmann zu TOP 1: Volksinitiative "Den Mangel beenden - unseren Kindern Zukunft geben"

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen,

sie wissen ja sicher alle, dass wir als Partei Die LINKE die Volksinitiative seit ihrer Gründung im April mit allen Kräften unterstützt haben. Denn spätestens mit dem Beschluss zum Dop-pelhaushalt Anfang März war klargeworden, dass sich die Landesregierung durch keine El-ternproteste, durch keine Massenpetitionen und auch durch keine Anträge und Debatten hier im hohen Haus bewegen lässt, ihre Personalpolitik für die Schulen zu ändern. Minister Tullner hatte u.a. deutlich gemacht, dass er gegen alle Widerstände die Zuweisungen für die Grundschulen radikal kürzen wird, dass er die Sprachförderung für bis zu 10.000 Migranten weitgehend einstellt und die pädagogischen Mitarbeiterinnen aus den Grundschulen syste-matisch abziehen will.

Nicht zuletzt wurden mit der ausgesprochen mageren Ausschreibungsrunde zum Hauptein-stellungstermin im Sommer alle Weichen so gestellt, dass wir sehenden Auges auf das Schul-jahr mit den größten Defiziten in der Unterrichtsversorgung zusteuern würden, die wir hier im Lande je zu verzeichnen hatten. Dem konnten wir und dem konnten die betroffenen El-tern und Lehrkräfte nicht tatenlos zusehen. Eine kraftvolle Volksinitiative auf den Weg zu bringen, war in dieser Situation die einzige erfolgversprechende Möglichkeit, der Landesre-gierung nachdrücklich deutlich zu machen, dass sie auf dem Holzweg ist. Die fortschreitende Zerrüttung der personellen Basis in den Schulen mit teilweise drastischen Auswirkungen auf die Unterrichtsqualität wird von den Eltern und der Bevölkerung nicht länger hingenommen.

Dass es sich dabei längst nicht mehr um Einzelfälle handelt, zeigen nicht nur die fast 100.000 Unterschriften für die Forderungen der Volksinitiative. Auf der Homepage der Volksinitiative werden seit einigen Wochen konkrete Beispiele gesammelt und veröffentlicht. Die schon jetzt mehr als 40 Beiträge lassen einem die Haare zu Berge stehen. In einem ganz aktuellen Bericht heißt es:

„Mein Fachunterricht muss oft ausfallen, da der Lehrerausfall teilweise so stark ist, dass Klas-sen zusammengelegt werden müssen und ich dann eher Deutsch und Mathe unterrichte (mit teilweise 34 Kindern), um den Ausfall auszugleichen. Einmal war die Situation so schlimm, dass ich zwei jahrgangsgemischte Klassen gleichzeitig (in normaler Klassenstärke) hatte, die in verschiedenen Räumen waren. Dazwischen befindet sich eine Verbindungstür, aber unterrichten war in dem Fall natürlich nicht möglich. Eine Klasse bekam ein Hörspiel und sollte sich ruhig beschäftigen und die anderen hatten Matheaufgaben."

Ich möchte mich an dieser Stelle bei den vielen Partnerorganisationen der Volksinitiative ganz herzlich für das große und anhaltende Engagement und die sehr kollegiale Zusammenarbeit bedanken. Es war in diesen Monaten Balsam auf die Oppositionsseele, Menschen zu erleben, denen die Bildung unsere Kinder und Jugendlichen tatsächlich am Herzen liegt, die sich mit großem Sachverstand eingebracht haben und die sich nicht in das angeblich Unvermeidliche fügen wollen. Der breite Zuspruch und die Unterstützung, die wir in der Bevölke-rung beim Sammeln der Unterschriften erfahren haben, hat uns auch immer wieder motiviert, in unseren Bemühungen hier im Landtag nicht nachzulassen, um durch unsere Anträge und Debatten die Politik der Landesregierung und des Bildungsministers zu korrigieren – bisher mit äußerst geringem Erfolg, wie sie ja wissen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Ich verhehle natürlich nicht, dass wir mit dieser erfolgreichen Volksinitiative die entscheidende – vielleicht aber auch die letzte – Chance gekommen sehen, um die zermürbenden und fruchtlosen Auseinandersetzungen um die Unterrichtsversorgung zu beenden. Ich hoffe im Interesse unserer Schülerinnen und Schüler, der Eltern und der Lehrkräfte, dass Regierung und Koalition den Antrag der Volksinitiative ausreichend ernst nehmen und ihn nicht in den anschließenden Beratungen wieder bis zur Unkenntlichkeit aushöhlen und verwässern.

Und ich bitte inständig, dass Regierung und Koalition damit aufhören, uns hier im Landtag und den Menschen im Land weiter einzureden, man würde schon alles nur Mögliche für die Unterrichtsversorgung tun. Die Wende sei ja eingeleitet und mehr ginge eben nicht. Mehr gäben der Haushalt und der Lehrerarbeitsmarkt nicht her und wenn sich nicht die richtigen Bewerber auf die Ausschreibungen fänden und immer mehr Lehrkräfte krank würden oder in Elternzeit gingen, dafür können man ja nichts. Wenn der Finanzminister in seine Kasse schaut, weiß er genau, dass das Geld vorhanden ist und wenn der Bildungsminister in seine Ausschreibungen schaut weiß er, dass es noch viele Lehrkräfte gibt, die er einstellen könnte, die er aber abweist, weil sie ihm irgendwie nicht passen.

Also liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn immer wieder zu Recht gefragt wird, wieso sich Politikverdrossenheit ausbreitet und wie man dieser Entwicklung begegnen kann, dann werden wir mit der Art der Behandlung dieser Volksinitiative dafür ein exponiertes Beispiel gegeben. Wir fordern Landesregierung und Koalition auf, sich die Forderungen der Volksinitiative ohne Wenn und Aber zu eigen zu machen.

Dies sollte auch nicht so schwer sein. Denn die Volksinitiative hätte es gar nicht geben müs-sen, wenn sich Regierung und Koalition an die vollmundigen Versprechen im Koalitionsver-trag gehalten hätten. Ich zitiere aus den Seiten 68 und 69:

„Das bedeutet derzeit für die allgemein bildenden Schulen ein Arbeitskräftevermögen von 14.500 VZLE und für die berufsbildenden Schulen ein Arbeitskräftevermögen von 1.900 VZLE bereitgestellt. ...Diese Zielzahlen werden bei veränderten Rahmenbedingungen, wie z.B. einem zusätzlichen Anstieg der Schülerzahlen, angepasst. … Für pädagogische Mitarbeiter wird dauerhaft ein Arbeitsvermögen von 1.800 VBE bereitgestellt.“

Die sprachlichen Stolperer sind nicht von mir, sondern das steht so in ihrem Vertrag.

Derzeit, liebe Kolleginnen und Kollegen, das heißt auf der Datenbasis des Schuljahres 2015/16. Es ist im Koalitionsvertrag nicht die Rede davon, dass erst zum Ende der Legislatur 2021 und damit im Schneckentempo das Stellenziel von 14.500 erreicht werden sollte, sondern schon im Haushalt 2017. Darüber hinaus haben sich die Rahmenbedingungen seitdem so verändert, dass das Stellenziel um etwa 600 VZÄ nach oben angepasst werden müsste. Hätten sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, also das Versprochene in den Haushaltsverhandlungen durchsetzen können, wären sie von den Forderungen der Volksinitiative gar nicht weit entfernt, sie hätten sie zu etwa 80% schon erfüllt.

Aber wie schon in den letzten beiden Legislaturperioden saß auch diesmal der Finanzminis-ter am längeren Hebel und konnte seine Ausgabenbegrenzung durchsetzen. Und er verfolgt wohl, wie man hört, weiterhin sein Ziel, die 14.500 VZÄ erst zum Ende der Legislatur zu er-möglichen, egal wie sich die Schülerzahlen entwickeln und ohne Rücksicht darauf, wie viele Lehrkräfte durch Elternzeit, Langzeiterkrankung und andere Gründe für den Unterricht nicht zur Verfügung stehen. Dass es draußen in den Schulen so große Probleme gibt und erst eine Volksinitiative die Rechte der Schüler und der Eltern einklagen muss, ist noch immer der restriktiven Personalpolitik des Finanzministers geschuldet.

Die Schüler und deren Eltern, lieber Herr Schröter, interessiert nicht, mit wie vielen Lehrkräften sie Arbeitsverträge abschließen. Es interessiert nur, wer vor den Klassen steht und Unterricht erteilt. Und es interessiert, dass die Schüler nicht aus Personalnot jahrgangsübergreifend zusammengepfercht werden, dass für die verlässliche Öffnungszeit der Grundschulen pädagogische Angebote gesichert sind und dass für die Unterstützung und Förderung der Kinder auseichend Sprachlehrer, Förderlehrer und Schulsozialarbeiter zur Verfügung stehen.

Der Bildungstrend 2016 hat uns gerade erst für die Grundschulen aufgezeigt, wohin die Reise geht, wenn die Bildungsqualität sinkt. Noch können wir auf ein vergleichsweise gutes Leistungsniveau unserer Grundschulen stolz sein. Dies wird aber schnell der Vergangenheit angehören, wenn jetzt nicht eine Wende eingeleitet wird und man der Personalnot in unseren Schulen ernsthaft den Kampf ansagt. Sonst wird uns eine Rechnung präsentiert werden, die am Ende niemand zu zahlen bereit ist.

Liebe Kolleginnen und Kollegen der Koalition. Es liegt jetzt in ihrer Hand und niemand wird ihnen diese Verantwortung abnehmen. Hören sie auf die Stimmen aus dem Volk, machen sie durch einen Nachtragshaushalt den Weg für zusätzliche Neueinstellungen von Lehrkräften und pädagogischen Mitarbeiter/innen frei, setzen sie die Rücknahme der Stundenkürzungen an den Grund- und Sekundarschulen durch und sorgen sie dafür, dass unsere ausländischen Schüler wieder eine vernünftige Sprachförderung erhalten. Das Kind liegt im Brunnen, fassen sie jetzt zu, damit es nicht ertrinkt.