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Christina Buchheim zu TOP 21: Bahnhof Köthen sichern

Sehr geehrte Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren,

der Bahnhof Köthen soll bis 2025 umfangreich saniert werden. Dafür soll der Bahnhof 2019 auch für ein halbes Jahr komplett gesperrt werden. Er ist einer der wichtigsten Knotenpunkte auf der Strecke Magdeburg-Halle. Die Vollsperrung verkündete die Deutsche Bahn AG im Februar dieses Jahres. Eine breitere Öffentlichkeit hat davon in der vergangenen Woche erfahren. Und es stimmt: Der Bahnhof mit seinen Gleisanlagen und Brücken ist aufgrund jahrelanger fehlender Investitionen in die Schieneninfrastruktur in einem erbärmlichen Zustand. Die Frage ist, ob für die anstehenden Investitionen eine solch lange Vollsperrung nötig ist und welche Folgen diese hat - für die BahnkundInnen, die Region, den öffentlichen Verkehr und die Umwelt.

Sehr geehrte Damen und Herren, der Bahnhof Köthen kann auf eine bemerkenswerte Historie verweisen. Aus Richtung Magdeburg erreichte am 9. Juni 1840 die erste Eisenbahn Köthen, und der Bahnhof der Magdeburg-Leipziger Eisenbahn (heutiges Bahnpostamt) wurde eröffnet. Am 22. Juli des gleichen Jahres wurde die Verlängerung bis Halle eröffnet. Am 10. September 1841 traf aus Berlin der erste Zug der Berlin–Anhaltischen Eisenbahn ein. Damit wurde Köthen der erste Bahnknotenpunkt Deutschlands. 1846 eröffnete die Anhalt-Köthen-Bernburger Eisenbahn die Strecke von Köthen nach Bernburg und Köthens dritten Bahnhof. Die Umsteigeprobleme wurden erst 1867 durch Errichtung des zentralen Berlin-Halberstädter Bahnhofs gelöst, der die drei bisherigen Bahnhöfe ersetzte. Am 01.04.1911 begann der Bau eines zentralen Bahnhofs, der bis heute existiert. Ein „deutschlandweit einmaliges“ Ensemble mit Bahnhofsgebäuden aus verschiedenen Epochen und weiteren Bauten steht auf der Denkmalliste der Stadt Köthen (Anhalt). Bis heute ist der Bahnhof ein Knotenpunkt und Fernverkehrshalt geblieben. Und das - sehr geehrte Damen und Herren -, muss auch so bleiben!

Die wichtigste Bahnstrecke für Köthen ist die nach Magdeburg und Halle mit dem Halt vieler Fernzüge. Ebenso wichtig ist der Zugverkehr von Dessau über Köthen in Richtung Aschersleben. Es gibt ein relativ gutes Zugangebot im Regionalverkehr in alle Richtungen.

Bereits durch die Baumaßnahmen am Hauptbahnhof in Halle mussten viele Bahnreisende ab Ende 2015 in Kauf nehmen, dass der stündliche Halt der Züge auf der Strecke Magdeburg-Köthen-Halle entfiel, da einige Fernzüge den Bahnhof in Köthen nur noch ohne Halt passieren. Stattdessen zuckeln diese IC`s mit deutlich verminderter Geschwindigkeit über die maroden Brücken und durch den Bahnhof Köthen.

Die schlechtere infrastrukturelle Anbindung war bereits ein harter Schlag. Dem folgte im Jahr 2016 der Plan der Deutschen Bahn, den Bahnhof Köthen zu verkaufen. Nach der Planung sollte ein neuer Bahnhof entstehen, welcher über einen neuen Tunnel erreichbar sein soll. Stadtrat und Stadtverwaltung haben seinerzeit bereits mit einem Brief ihre Empörung und ihr Unverständnis an den Konzernbevollmächtigten der Deutschen Bahn für Sachsen-Anhalt geäußert. In der Folge kam man zumindest bei diesem Vorhaben ins Gespräch und betonte nochmals die Notwendigkeit der denkmalgerechten Erhaltung sowohl der Gebäude als auch der Bahnsteigausstattung.

In diesem Jahr kam dann die nächste große Keule in Form einer Pressemitteilung: Die Bahn will 400 Millionen € in diesem Jahr in den Ausbau des Schienennetzes in Sachsen-Anhalt investieren. Ein beträchtlicher Teil davon soll in den Umbau des Köthener Bahnhofs fließen. Ein positives Signal. Erneuert werden soll praktisch alles: die fünf Eisenbahnbrücken, Bahnsteige, Gleisanlagen und Stellwerke. Veranschlagt wird hierfür ein Zeitraum von acht Jahren. Viele Detailfragen seien noch ungelöst. Von „erheblichen betrieblichen Einschränkungen“ ist die Rede, möglicherweise müsse sogar der komplette Bahnhof „zeitweise gesperrt“ werden. Züge zwischen Halle und Magdeburg sollen dann über Bitterfeld und Dessau umgeleitet werden. Die Regionalzüge aber sollen komplett ausfallen. Diese sind für die BerufspendlerInnen aber schnell und wichtig. Es steht zu befürchten, dass diese KundInnen der Bahn verloren gehen, weil sie auf das Auto umsteigen und da bleiben. BahnCards und Abo`s werden in der Bauphase überflüssig. Ein verkehrs- und umweltpolitisches Fiasko.

Aber auch der Verkauf der denkmalgeschützten Bahnhofsgebäude wurde wieder aktuell. Aufgrund des Vorkaufsrechts wurde das Bahnhofsgebäude der Stadt Köthen wiederholt zum Kauf angeboten. Der Kauf ist für die Kommune nicht leistbar. Die Bahnhofshalle ist für die Grundbedürfnisse der Bahnreisenden gerade an Bahnknoten wichtig. Die Bahn muss aber auch in die Pflicht genommen werden, für die Instandhaltung und den Denkmalschutz ihrer Liegenschaften zu sorgen.

Schließlich machte die Schlagzeile in der MZ „Bahn will Köthen abhängen“ die Runde. Im Zeitraum Juni bis Dezember 2019 will die Bahn nun offensichtlich den Bahnhof Köthen komplett sperren, um die veralteten Gleis- und Signalanlagen zu erneuern. Ist das ein erster Vorgeschmack? Welche Einschränkungen sollen dann mit der notwendigen Erneuerung der fünf Brücken erfolgen? Stehen weitere Radikalkuren an? Trotz der bekannten Maßnahmen antwortete die Landesregierung noch am 14. März 2017 auf die Kleine Anfrage des SPD-Kollegen Schmidt (Drucksache 7/1137), dass laut Betriebskonzept der Deutschen Bahn ab 12/2017 in Köthen das Fernverkehrsangebot unverändert erhalten bleibe.

Köthen ist neben Halle und Magdeburg einer der wichtigsten Bahnknoten im Land. Rund 1.800 Fahrgäste steigen täglich auf dem Bahnhof ein, aus oder um. Die Bahnstrecke Köthen wird daneben täglich von dutzenden Güterzügen passiert, sie ist aber auch für den Pendlerverkehr zwischen Magdeburg - Halle und Leipzig sowie Dessau und Köthen wichtig. Das Vorhaben der Deutschen Bahn hätte für viele Pendler erheblich längere Fahrzeiten und schlechtere Verbindungen zur Folge.

Doch wie nun konkret der Ausfall der Regionalzüge für die Reisenden zwischen Halle und Magdeburg kompensiert werden soll, dazu gibt es offensichtlich noch keine Planungen.

Die angekündigten einschneidenden Maßnahmen sind unzumutbar. Von der Totalsperrung wären nicht nur die Köthener betroffen. In Köthen treffen sich zwei Regionallinien; zwei IC-Linien, die auch Halle und Magdeburg verbinden, passieren den Bahnhof. Tausende Reisende wären von der Vollsperrung betroffen. Dies wäre besonders für die vielen Pendler gravierend. 2016 ist die Zahl der Pendler auf einen Rekordwert gestiegen. Bundesweit pendelten 60 Prozent aller Arbeitnehmer zu ihrem Arbeitsplatz in einer anderen Gemeinde. Damit verbunden ist eine steigende Verkehrsbelastung. Auch vor diesem Hintergrund ist der Erhalt des öffentlichen Nahverkehrs und dessen Attraktivität anzumahnen.

Die beabsichtigte Vollsperrung des Bahnhofes Köthen kam für viele überraschend. Weder die Kommune noch die Hochschule Anhalt, die in Köthen ingenieurwissenschaftliche Studiengänge anbietet, wurden bei der Planung einbezogen. Gut ein Drittel der 3.400 Studierenden an der Hochschule Anhalt kommt aus dem Ausland. Für sie ist die Bahn das wichtigste Verkehrsmittel, um mobil zu sein. Planungssicherheit ist für alle Beteiligten einzufordern.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die beabsichtigte Sperrung des Bahnhofs Köthen ist nicht nur „inakzeptabel“, wie sich der Verkehrsminister Thomas Webel bereits gegenüber der Presse äußerte, sie könnte eine noch nie dagewesene Dimension in Deutschland annehmen. Die Totalsperrung des Hauptbahnhofs in Halle vom 21. bis 28. November 2016, also eine einwöchige Sperrung, wurde als eine der längsten, die es bisher in Deutschland für Hauptbahnhöfe gab, kommentiert. Solange haben die Bauleute der Bahn in Deutschland noch niemals einen Hauptbahnhof vom Schienen-Netz genommen (MZ vom 20.11.2016). Während dieser Zeit wurden sämtliche Fernverkehrszüge umgeleitet. Für den Regionalverkehr wurde Schienenersatzverkehr angeboten. Aktuell wird dieser Rekord durch die Totalsperrungen des Bahnhofs Wuppertal getoppt. Als einer der längsten Totalsperren in der Geschichte der Deutschen Bahn ging die Vollsperrung zwischen Bamberg und Lichtenfels über 34 Wochen, an denen kein Zug rollte ein. Wenn die Bahn für die Erneuerung der veralteten Gleis- und Signalanlagen eine Vollsperrung von einem halben Jahr bereits jetzt fest einplant, die Erneuerung der fünf Eisenbahnbrücken und Bahnsteige daneben noch aussteht, dann könnte Köthen zur größten Bahnbaustelle Deutschlands mit Rekordsperrungen werden.

Wir fordern daher die Landesregierung auf, mit der Deutschen Bahn AG Alternativen zur Vollsperrung zu suchen, wie etwa eine eingleisige Bestellung. So wie auf Autobahnen Ersatzmaßnahmen finanzierbar sind, muss auch die teurere aber kundenfreundlichere Variante des Bauens bei laufendem Betrieb im Schienenverkehr finanziert werden. Das Land muss am Ende wohl für den volkswirtschaftlichen Schaden aus der Sperrung des Bahnhofs aufkommen. Deshalb muss die Landesregierung mehr Druck auf die Deutsche Bahn ausüben und zeigen, dass sie der Schienenverkehrspolitik Priorität gibt.

Vielen Dank für ihre Aufmerksamkeit!